Ist die vegane Kochlehre bald Realität?

Ist die vegane Kochlehre bald Realität?

09.01.2024

Die traditionelle österreichische Kochlehre basiert mehrheitlich auf der Zubereitung tierischer Produkte. Aufgrund der steigenden Nachfrage der Österreicher:innen nach hochwertigen pflanzlichen Speisen wächst der Bedarf an in der fleischlosen Kulinarik ausgebildeten Köch:innen. In den heimischen Großstädten sprießen vegane und vegetarische Restaurants, die Lehrlinge ausbilden könnten, förmlich aus dem Boden.

Die Einführung einer Ausbildung in pflanzlicher Kochkunst könnte maßgeblich dazu beitragen, diese Lücke zu schließen. Seit Anfang des Jahres setzt sich die Vegane Gesellschaft Österreich gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Wien, der Grünen Wirtschaft und renommierten Gastronom:innen für das neue Berufsbild ein.


Foto: Eve Kreiselmeier

Der Stein kommt ins Rollen

Spitzenköche wie Siegfried Kröpfl und Paul Ivić kämpfen schon seit geraumer Zeit darum, Lehrlinge vegan ausbilden zu dürfen. Ende Mai stellte Joachim Ivany, Stellvertreter der Grünen in der Wirtschaftskammer Österreich, nun einen Antrag auf eine fleischlose Kochlehre. Während einige Kammerfunktionäre nach wie vor der Ansicht sind, dass es für eine solche Ausbildung gar nicht genug Inhalte gäbe, und deren Sinnhaftigkeit öffentlich anzweifeln, arbeiten wir bereits daran, das neue Lehrbild zu entwerfen. Gemeinsam mit Funktionär:innen aus der Fachgruppe Gastronomie, Vertreter:innen der Gewerkschaft und hochkarätigen veganen Köch:innen wie Siegfried Kröpfl und Jonathan Wittenbrink wurden Dokumente ausgearbeitet, die dem Ministerium nun vorliegen.

Vegucation: Die Vegane Gesellschaft hat bereits Expertise

Bereits vor über zehn Jahren haben wir mit unserem Vegucation-Programm eine einwöchige vegane Kochausbildung an pädagogischen Hochschulen mit allergrößtem Erfolg umgesetzt: Über 200 Lehrpersonen haben den Workshop bereits absolviert und über 21.000 Schüler:innen haben die Zertifikatsprüfung erfolgreich abgeschlossen.

Viele Lehrende an Berufsschulen erkennen den unaufhaltbaren Trend in Richtung pflanzliche Küche bereits: Das Vegucation-Kursangebot ist 2023 restlos ausgebucht. Dieses über ein Jahrzehnt gesammelte theoretische sowie praktische Fachwissen konnten wir in den Arbeitsgruppen einbringen. Dabei wurden einerseits ein Motivenbericht, der den Bedarf und das Potenzial des neuen Lehrbilds umfassend schildert, und andererseits konkrete Lehrinhalte erstellt, die die unzähligen Techniken und Zubereitungsmethoden darlegen, die sich Auszubildende aneignen können.

Gute Chancen für das neue Lehrbild

Knapp ein Viertel der Österreicher:innen zwischen 15 und 29 ernährt sich vegetarisch oder vegan (Tendenz steigend!), während die Zahl an Lehrlingen in der Gastronomie seit über zehn Jahren drastisch sinkt. Das neue Lehrbild könnte dieses Defizit also erheblich verbessern und dabei unzähligen Jugendlichen eine berufliche Perspektive bieten.

Wie es nun weitergeht, liegt beim Bundesberufsausbildungsbeirat (BBAB), der die ausgearbeiteten Unterlagen nun begutachtet. Erteilt auch das Wirtschaftsministerium seine Zustimmung, könnten die ersten Lehrlinge ihre Ausbildung zur Fachkraft für vegetarische und vegane Kulinarik bereits im Herbst 2024 starten. An der Ausarbeitung der Details, z. B. von Rezepten oder Lehrbüchern, wird es jedenfalls nicht scheitern: Eine Vielzahl an Expert:innen, darunter auch die Vegane Gesellschaft, ist voller Tatendrang, dieses Projekt Wirklichkeit werden zu lassen.

Der Ball liegt beim Wirtschaftsministerium

Im Rahmen des Veganuary haben zahlreiche Medien über die vegane Kochlehre berichtet (siehe Links unten). Nachdem die Fachverbände für Gastronomie und Hotellerie bei der FH Wiener Neustadt eine Studie zu Essgewohnheiten in Österreich in Auftrag gegeben hatten, wurden die Ergebnisse vor Weihnachten im BBAB besprochen, wo sich die Vertreter:innen der Arbeitgeber:innen dafür, jene der Arbeitnehmer:innen allerdings dagegen ausgesprochen haben. Die Grüne Wirtschaft fordert nun, dass Wirtschaftsminister Martin Kocher die Initiative ergreift.

Ein weiteres Detail der repräsentativen Studie: Wer sich rein pflanzlich ernährt, geht öfter essen (44 % min. einmal wöchentlich) bzw. gibt mehr Geld dafür aus. Sowohl der allgemeine Markt für pflanzliche Lebensmittel als auch die vegane Gastronomie bieten wirtschaftliches Potenzial, weshalb sich die Arbeitgeber:innen nun offiziell für eine eigene vegan-vegetarische Kochlehre einsetzen. Die Gewerkschaft befürchtet allerdings eine Zersplitterung des Lehrlingswesens und eine geringe Arbeitsmarktmobilität. Der Ball liegt nun beim Wirtschaftsministerium, das noch weitere Gespräche führen möchte.

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