Cholin: Versorgung bei veganer Ernährung

Cholin: Versorgung bei veganer Ernährung

09.01.2024

Verfasst von Dr. med. Markus Kolm, Allgemeinmediziner, und Mag.a Katharina Petter, Ernährungswissenschaftlerin

Die vitaminähnliche Substanz Cholin sorgt bei vielen vegan lebenden Menschen derzeit für Verunsicherung. Vor allem Schwangere und Eltern kleiner Kinder sind irritiert: Kann der Bedarf über pflanzliche Lebensmittel gedeckt werden, sollte Cholin in Form eines Nahrungsergänzungsmittels eingenommen werden oder ist überhaupt keine exogene Zufuhr notwendig? Wir geben einen Überblick über den aktuellen Stand der Wissenschaft und beziehen Stellung.

Foto einer Tofu-Quinoa-Bowl

Ein essentieller Nährstoff?

Ob es sich bei Cholin um einen essentiellen Nährstoff handelt, wird in der Fachwelt bislang kontrovers diskutiert. Essentiell bedeutet in diesem Zusammenhang, dass eine Substanz per Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden muss – andernfalls können Mangelerscheinungen und Krankheiten entstehen. In Hinblick auf Cholin sind sich einschlägige Fachgesellschaften uneinig: Während beispielsweise die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine Zufuhr von 400 mg pro Tag für Erwachsene als angemessene Aufnahmemenge anführt, gilt Cholin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) nicht als essentieller Nährstoff. Der Grund für diese unterschiedlichen Einschätzungen ist, dass die wissenschaftliche Datenlage dürftig ist. Um wirklich überzeugende, evidenzbasierte Empfehlungen ableiten zu können, müssen noch viele weitere Studien durchgeführt werden.

Funktionen von Cholin

Cholin erfüllt eine Reihe unterschiedlicher Aufgaben im menschlichen Körper. Zu den wichtigsten zählen folgende (nach Ströhle & Hahn 2019):

  • Membranbestandteil: In Form des Phospholipids Phosphatidylcholin (Lecithin) ist Cholin der mengenmäßig wichtigste Bestandteil von Zellmembranen und ausschlaggebend für deren Fluidität.
  • Myelinisierung von Nervenzellen: Als Sphingomyelin ist Cholin Bestandteil von Myelin, das als spiralförmige Biomembran die Axone der Nervenzellen ummantelt und abdichtet. Das ist für die schnelle und effektive Reizweiterleitung zwischen Nervenzellen relevant.
  • Reizübertragung: Mit Hilfe von Cholin wird der Neurotransmitter Acetylcholin gebildet, der für die Reizübertragung im Nervensystem sowie die Erregungsübertragung von Nerven- auf Muskelzellen notwendig ist.
  • Absorption von Neutralfetten: Phosphatidylcholin ist das mengenmäßig dominierende Phospholipid des Gallensekrets. Zusammen mit den Gallensäuren überführt es die fettlöslichen Spaltprodukte der Fettverdauung in eine wasserlösliche Form.
  • Lipoproteinstoffwechsel: Als Phosphatidylcholin ist Cholin Bestandteil des Very-Low-Density-Lipoproteins (VLDL-Cholesterol) und transportiert Neutralfette und andere Lipide aus der Leber in die peripheren Zielgewebe.
  • Methylgruppenübertragung: Der Cholinabkömmling Betain ist ein wichtiger Spender von Methylgruppen und somit an der Remethylierung (Umwandlung) von Homocystein zu Methionin beteiligt. Auf diesem Weg wird einerseits das zelltoxische Homocystein „entgiftet“ und andererseits Methion für die Synthese des universellen Methylgruppendonators S-Adenosylmethionin (SAM) bereitgestellt.
  • Blutgerinnung und Blutdruck: Als Vorläufermolekül des Plättchenaktivierenden Faktors (PAF) hilft Cholin bei der Regulation der Thrombozytenaggregation und des Blutdrucks.
  • Signaltransduktion: Phosphatidylcholin ist eine Vorstufe von sogenannten Second-Messenger-Molekülen, die Hormonsignale ins Zellinnere leiten.

Von besonderer Bedeutung ist Cholin während der Schwangerschaft, denn es ist für die Entwicklung des Gehirns notwendig. Der Neurotransmitter Acetylcholin nimmt hierbei eine wichtige Rolle ein, weil er viele Prozesse der Gehirnentwicklung beeinflusst. Außerdem werden bei der Entwicklung des Fötus große Mengen von Phospholipiden wie Phosphatidylcholin und Sphingomyelin benötigt, um eine schnelle Zellteilung, das Zellwachstum und die Myelinisierung zu ermöglichen (Korsmo et al. 2019).

Folgen eines Cholinmangels

Steht dem Körper langfristig zu wenig Cholin zur Verfügung, können Mangelerscheinungen auftreten. Dazu zählen vor allem Muskel- und Leberschäden sowie eine nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD). Allerdings kommen diese Symptome sehr selten vor (National Institutes of Health 2022). Dabei ist zu beachten, dass viele Menschen in den USA und in Europa weniger Cholin aufnehmen, als von der EFSA und vom Institute of Medicine (IOM, mittlerweile National Academy of Medicine) empfohlen wird (EFSA 2016, National Institutes of Health 2022). Die Symptome sind – neben weniger aussagekräftigen Tierversuchsstudien – vor allem aus Studien bekannt, in denen Menschen mit Hilfe einer cholinfreien Diät absichtlich in einen Cholinmangelzustand versetzt wurden (IOM 1998).

Bei Schwangeren mit niedrigen Plasmaspiegeln im Serum bzw. niedriger Cholinaufnahme dürfte zudem das Risiko für Neuralrohrdefekte bei Föten erhöht sein. So zeigte eine Metaanalyse von 2022, dass eine niedrige Cholinzufuhr der Mutter mit einem um etwa ein Drittel erhöhten Risiko für Neuralrohrdefekte verbunden ist (Obeid et al. 2022).

Eigensynthese des Körpers

Theoretisch ist der menschliche Körper in der Lage, Cholin selbst herzustellen. Die Voraussetzung hierfür ist eine bedarfsdeckende Zufuhr an Protein, Folsäure und Vitamin B12 (Elmadfa & Leitzmann 2019).

Diese endogene Cholinsynthese dürfte jedoch nicht bei allen Menschen gleich gut funktionieren. Zwischen 1991 und 2010 konnten der US-amerikanische Wissenschaftler Steven Zeisel und sein Team anhand einer Reihe an Studien zeigen, dass es bei einer cholinarmen Kost mit weniger als 50 mg pro Tag zu einem Absinken des Cholinspiegels im Plasma, einem Anstieg des Homocysteinspiegels sowie Mangelsymptomen wie Leber- und Muskelschädigungen kommen kann (EFSA 2016).

Im Rahmen dieser Untersuchungen stellten sie auch fest, dass die Bildung der für die Cholinsynthese relevanten Enzyme aufgrund eines genetischen Polymorphismus bei vielen Menschen reduziert sein dürfte. Somit ist auch die Fähigkeit zur Cholinherstellung bei diesen Menschen verringert. Konkret zeigte eine Studie mit 57 Erwachsenen, dass 68 % aller Studienteilnehmer:innen diese Substanz bei einer cholinarmen Diät nicht ausreichend bilden konnten (daCosta et al. 2006). Im Fall eines Polymorphismus muss Cholin also mit Hilfe von Lebensmitteln zugeführt werden.

Eine weitere Publikation der Arbeitsgruppe zeigte, dass auch Geschlecht und Hormonstatus einen Einfluss auf den Cholinstoffwechsel haben dürften. Von den ebenfalls 57 Studienteilnehmer:innen entwickelten 77 % der Männer sowie 80 % der Frauen nach der Menopause im Rahmen einer cholinarmen Kost Mangelsymptome wie Fettleber und Muskelschäden, aber nur 44 % der Frauen vor den Wechseljahren (Fischer et al. 2007).

Wie viel Cholin ist notwendig?

Während es von DGE und ÖGE keine Zufuhrempfehlungen gibt, schlägt das EFSA-Gremium für Diätetische Produkte, Ernährung und Allergien eine Zufuhr von 400 mg pro Tag für Erwachsene über Nahrungsmittel vor. Es hält jedoch fest, dass keiner der Biomarker für die Cholinaufnahme oder den Cholinstatus dafür geeignet ist, Referenzwerte („Dietary Reference Values“, DRV) abzuleiten. Daher wurden lediglich Werte für eine angemessene tägliche Aufnahme („Adequate Intakes“, AI) veröffentlicht. Sie beruhen einerseits auf durchschnittlichen Verzehrsdaten gesunder Menschen in der EU, andererseits auf Studien, in denen untersucht wurde, wie viel Cholin notwendig ist, um bereits vorhandene Mangelsymptome zu beheben.

Werte für angemessene Cholin-Aufnahme, EU

Die bereits 1998 veröffentlichten AI-Werte des US-amerikanischen IOM fallen ähnlich hoch aus, sind aber tendenziell noch höher angesetzt.

Werte für angemessene Cholin-Aufnahme, USA

Ob es dieser hohen Zufuhrmengen tatsächlich bedarf, bleibt unklar. Einerseits kann eine wichtige Cholinfunktion, nämlich die Methylgruppenübertragung, zumindest teilweise durch Folsäure und Betain übernommen werden, sofern der Körper mit diesen beiden Substanzen ausreichend versorgt ist. Dies reduziert den tatsächlichen Bedarf von Cholin (Jacob et al. 1999, EFSA 2016, Elmadfa & Leitzmann 2019).

Andererseits zeigen zahlreiche Studien relativ niedrige durchschnittliche Cholinzufuhrmengen, was verschiedene Regionen weltweit betrifft. Im Fall eines tatsächlichen Bedarfs von 400 mg pro Tag wäre ein Cholinmangel in diesen Ländern endemisch. So wurde beispielsweise bei flämischen Frauen eine durchschnittliche Cholinzufuhrmenge in Höhe von 286,6 mg gemessen (Pauwels et al. 2015). Die durchschnittliche Zufuhr taiwanesischer Frauen beläuft sich sogar auf nur 265 mg (Chu et al. 2012).

Hinzu kommt, dass die vorgeschlagenen Zufuhrwerte der EFSA auf Studien beruhen, in deren Rahmen absichtlich ein über mehrere Tage dauernder Cholinmangelzustand herbeigeführt wurde. Die Mengen, die notwendig sind, um einen Mangel auszugleichen, sind möglicherweise höher einzustufen als jene, die für den Erhalt normaler Körperfunktionen notwendig sind. Gesunde Personen befinden sich aufgrund der kontinuierlichen Cholinaufnahme nicht in einem solchen Cholinmangelzustand.

Durchschnittliche Cholinzufuhrmengen in Europa

Um die Cholinaufnahme über Nahrungsmittel zu evaluieren, berücksichtigte das Gremium der EFSA insgesamt zwölf nationale Datensätze zur Verzehrerhebung. Aufgrund von fehlenden Kenntnissen über die Cholingehalte sowie Cholinverbindungen in europäischen Lebensmitteln nutzten die Expert:innen die Daten des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums für ihre Berechnungen. So kamen sie auf Gesamtcholinzufuhrmengen in der Höhe von 269–444 mg pro Tag bei Frauen und 332–468 mg pro Tag bei Männern. Die Gesamtzufuhr aller Erwachsenen beträgt 269–468 mg pro Tag mit einem Durchschnittswert von etwa 370 mg pro Tag (EFSA 2016).

Empfehlungen für die Schwangerschaft und Stillzeit

Aufgrund der Bedeutung für die Gehirnentwicklung ist eine adäquate Cholinversorgung während der Schwangerschaft und Stillzeit besonders relevant. Das Gremium der EFSA führt daher für Schwangere 480 mg und für Stillende 520 mg als Wert für eine angemessene tägliche Aufnahme an. Die Werte des IOM betragen 450 mg in der Schwangerschaft und 550 mg in der Stillzeit.

Die bisher wenigen Studien zur Cholinzufuhr in diesen sensiblen Lebensphasen zeigen unterschiedliche Ergebnisse, was eindeutige Empfehlungen schwer macht.

In der bereits erwähnten Metaanalyse wurden die Zusammenhänge zwischen der Cholinzufuhr der Mutter und der Gehirnentwicklung des Fötus sowie der Neurokognition von Kindern untersucht, wofür zahlreiche frühere Studien gesichtet und gemeinsam ausgewertet wurden. Sie kommt zu dem Schluss, dass eine niedrige Cholinzufuhr der Mutter mit einem um etwa ein Drittel erhöhten Risiko für Neuralrohrdefekte verbunden ist.

Untergruppenanalysen deuten darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen einer niedrigen Cholinzufuhr und dem Risiko für Neuralrohrdefekte von Folsäure unabhängig ist. Bei Frauen mit niedriger Folsäurezufuhr ist er jedoch stärker ausgeprägt. Der Zusammenhang ist dadurch zu erklären, dass sowohl Folsäure als auch Cholin unter anderem als Methylgruppenspender bei der Methylgruppenübertragung dienen.

Während die in der Metaanalyse berücksichtigten randomisiert-kontrollierten Studien darauf hindeuten, dass eine höhere Cholinzufuhr der Mutter Vorteile für die kognitiven Fähigkeiten des Kindes haben kann, fallen die Ergebnisse der beschriebenen Beobachtungsstudien unterschiedlich aus. Die Autor:innen weisen jedoch darauf hin, dass hierbei gewisse Störvariablen wie kulturelle und sozioökonomische Aspekte sowie die Art der Ernährung die Ergebnisse beeinflussen können. Sie schlussfolgern, dass eine höhere Cholinzufuhr im zweiten und dritten Trimester der Schwangerschaft von bis zu 1.000 mg positive Auswirkungen auf die neurokognitiven Fähigkeiten eines Kindes haben kann. Daher raten sie dazu, die Empfehlungen zur Cholinzufuhr während der Schwangerschaft zu erhöhen. Außerdem sollten Schwangerschaftssupplemente aus ihrer Sicht mit Cholin ergänzt werden (Obeid et al. 2022).

Auch in einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2019 werden die Zusammenhänge zwischen der Cholinzufuhr und deren Auswirkungen auf Mutter und Babys betrachtet. Sie weist ebenfalls auf die limitierte Datenlage hin und beschreibt die unterschiedlichen Studienergebnisse, bestätigt aber, dass Cholin bei physiologischen Prozessen während der vorgeburtlichen Zeit eine wichtige Rolle einnimmt. Da die meisten Schwangeren in den USA nicht die dortige Empfehlung von 450 mg pro Tag erreichen, könnten sie davon profitieren, ihre Cholinzufuhr entweder durch die Ernährung oder durch eine Nahrungsergänzung zu verbessern (Korsmo et al. 2019).

Auf Basis der vorhandenen Studienlage raten wir daher dazu, die von der EFSA vorgeschlagenen Werte für die tägliche Cholinzufuhr in der Höhe von 480 mg für Schwangere und 520 mg für Stillende einzuhalten. Aufgrund der Conclusio von Obeid et al. könnten möglicherweise sogar noch höhere Zufuhrmengen sinnvoll sein.

Cholinversorgung von Veganer:innen

Da Cholin in verschiedenen tierischen Lebensmitteln wie Eiern stärker als in pflanzlichen Lebensmitteln vertreten ist, wird eine vegane Ernährung häufig als cholinarme Kost beschrieben. Eine Versorgung mit Cholin nach den von der EFSA vorgeschlagenen AI-Werten ist jedoch auch über eine rein pflanzliche Ernährung möglich (s. Abschnitt „Pflanzliche Cholinquellen“).

Interessant zu wissen: Während eine Fettleber als typisches Symptom eines Cholinmangels gilt, zeigen Studien, dass eine pflanzenbasierte Ernährung das Risiko für die Entwicklung einer Fettleber reduziert (Chiu et al. 2018, Mazidi et al. 2019). Zudem gibt es erste Hinweise darauf, dass die Leberenzymwerte von Patient:innen mit NAFLD von einer veganen Ernährung profitieren könnten (Chiarioni et al. 2021).

Zur tatsächlichen Cholinaufnahme von vegan lebenden Menschen gibt es bisher kaum Daten.

In einer 2022 publizierten Studie aus Deutschland wurde die Cholinzufuhr von knapp 300 Schwangeren untersucht, von denen sich 59 vegetarisch oder vegan ernährten. Die Zufuhr lag bei jeder Ernährungsform im Durchschnitt deutlich unter den AI der EFSA: Die omnivoren Schwangeren erreichten durchschnittlich 269 mg, die vegetarisch und vegan lebenden Schwangeren 205 mg (Roeren et al. 2022). Allerdings wurde hier nicht zwischen ovo-lacto-vegetarischer und veganer Ernährung unterschieden.

Im Rahmen des „National Health and Nutrition Examination Surveys (NHANES)“ von 2007 bis 2010 zur Beurteilung des Gesundheitsstatus der US-amerikanischen Bevölkerung wurde die Cholinversorgung geschätzt. Vegetarier:innen hatten mit durchschnittlich 192 mg die niedrigste Cholinaufnahme (Wallace et al. 2018). Auch hier wurde nicht zwischen ovo-lacto-vegetarischer und veganer Ernährung differenziert. Allerdings erreichten laut der Berechnungen nur 10 % der allgemeinen Bevölkerung und sogar nur 8 % der Schwangeren die amerikanischen AI-Werte.

Eine weitere Studie aus den USA konnte keine Unterschiede im Gesamtcholingehalt von Muttermilch vegan, vegetarisch und omnivor lebender Stillender finden. Zwar zeigten sich große individuelle Abweichungen im Gehalt an wasserlöslichem Cholin bei den insgesamt 74 Studienteilnehmerinnen, doch kamen diese bei allen drei Ernährungsformen vor. Unterschiede gab es lediglich in der Art des Cholins: Während die Muttermilch vegan lebender Stillender reicher an Glycerophosphocholin war, enthielt sie weniger Phosphocholin als die Milch omnivorer Mütter. Die Autor:innen schlussfolgern, dass eine pflanzliche Ernährung als solche keinen Risikofaktor für einen niedrigen Cholingehalt der Muttermilch darstellt. Festzuhalten bleibt allerdings, dass über 50 % der Teilnehmerinnen Supplemente einnahmen, die möglicherweise auch Cholin enthielten (Perrin et al. 2020).

Pflanzliche Cholinquellen

Cholin kommt in zahlreichen pflanzlichen Lebensmitteln vor, allerdings in keinen großen Mengen. Zu den guten Quellen zählen Sojabohnen und -produkte sowie weitere Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen, Quinoa und Buchweizen sowie Vollkorngetreide. Aber auch in vielen Gemüse- und Obstsorten ist Cholin enthalten, wenn auch meist in eher niedriger Menge. Die besten Quellen dieser Kategorie sind Kohl- und Krautgemüse wie Brokkoli, Karfiol und Kohlsprossen, Spinat und Pilze.

Wer sich – den Empfehlungen entsprechend – abwechslungsreich auf Basis von Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten, reichlich Gemüse und Obst sowie Nüssen und Samen ernährt, kann problemlos 400 mg Cholin am Tag erreichen. Über den Tag verteilt summieren sich auch die kleineren Cholinmengen einzelner Lebensmittel.

Cholingehalt diverser pflanzlicher Lebensmittel (in mg/100 g)

(U.S. Department of Agriculture 2019)

  • Leinsamen 79
  • Pistazien, geröstet und gesalzen 71
  • Erdnüsse, geröstet ohne Salz 65
  • Kürbiskerne, geröstet und gesalzen 63
  • Cashewnüsse, geröstet und gesalzen 61
  • Pinienkerne 56
  • Sonnenblumenkerne 55
  • Erdnüsse, roh 53
  • Mandeln 52
  • Mandelmus 52
  • Haselnüsse 46
  • Sesamsamen 26
  • Mandeln, 52
  • Walnüsse 39
  • Sojamehl, entfettet 192 (1 EL enthält 10 mg)
  • Sojabohnen, roh 120
  • Miso 72 (1 EL enthält 12 mg)
  • Edamame, gefroren 56
  • Sojasauce (Tamari) 38
  • Tofu, fest 28
  • Sojamilch 24
  • Grüne Erbsen, roh 157
  • Weiße Bohnen, roh 87
  • Schwarze Bohnen, roh 66
  • Kidneybohnen, roh 66
  • Weiße Bohnen, gekocht 45
  • Kidneybohnen, Dose 33
  • Grüne Erbsen, gefroren, gekocht 28
  • Weiße Bohnen, Dose 27
  • Hummus, selbst gemacht 28
  • Weizenkeime, geröstet 179
  • Quinoa 70
  • Buchweizen 54
  • Buchweizenmehl 54
  • Gerste 38
  • Wildreis 35
  • Haferkleie 32
  • Weizenvollkornmehl 31
  • Bulgur 28
  • Vollkornbrot 27
  • Shiitake-Pilze, getrocknet 202
  • Getrocknete Tomaten 105
  • Kohlsprossen (Rosenkohl), gekocht 41
  • Brokkoli, gekocht 40
  • Karfiol (Blumenkohl), gekocht 39
  • Tomatenmark, ohne Salz 39
  • Artischocken 34
  • Spinat, gefroren, gekocht 25
  • Brokkoli, roh 19
  • Pilze, roh 17
  • Rotkraut (Rotkohl), roh 17
  • Sauerkraut 10
  • Getrockneter Apfel 23
  • Getrocknete Feigen 16
  • Clementinen 14
  • Avocados 14
  • Rosinen 11
Tagesplan mit > 400 mg Cholin

Beispiele für cholinreiche Snacks:

  • 1 Tasse Sojamilch oder Kakao: 59 mg
  • 50 g Pistazien, geröstet und ohne Salz: 35,4 mg
  • 1 Scheibe Vollkornbrot mit Erdnussmus: 35 mg
  • Hummus mit Rohkoststicks (z. B. Gurke, Paprika, Karotte): 32 mg
  • 2 Clementinen: 21 mg

Neben den in der Tabelle dargestellten Nahrungsmitteln stellt auch Sojalecithin (oder Lecithin auf Basis von Sonnenblumenkernen oder Raps) eine gute Möglichkeit dar, um den Cholinbedarf zu decken. Da sich eine höhere Cholinzufuhr während der Schwangerschaft und Stillzeit positiv auf die Entwicklung von Gehirn und Neurokognition des Kindes auswirken kann sowie das Risiko von Neuralrohrdefekten reduziert, kann eine Lecithinzufuhr während dieser Phase eine sinnvolle Nahrungsergänzung darstellen. Dabei ist jedoch auf die richtige Dosierung zu achten.

Wichtig zu wissen: Lecithin ist nicht gleich Lecithin

Biochemisch betrachtet ist Lecithin identisch mit Phosphatidylcholin. In der Lebensmittelchemie wird unter „Lecithin“ hingegen ein Gemisch aus verschiedenen Lipiden bezeichnet. Dieses enthält nur etwa 20–27 % Phosphatidylcholin. Daher lässt sich vom Lecithingehalt eines Lebensmittels nicht automatisch auf dessen Gehalt an Phosphatidylcholin bzw. reinem Cholin schließen (Ströhle & Hahn 2019). Lecithine werden in der Lebensmittelindustrie unter der Bezeichnung „E 322“ unter anderem als Emulgatoren und Stabilisatoren eingesetzt – beispielsweise in Margarine, Mayonnaise, Speiseeis sowie Brot- und Backwaren.

Überdosierung von Cholin

Während die EFSA bisher keine tolerierbare Obergrenze für die tägliche Aufnahme definiert hat, hat das IOM ein Upper Level für eine sichere Zufuhr von 3.500 mg pro Tag für Erwachsene inklusive Schwangere und Stillende festgelegt. Für kleine Kinder gilt eine Obergrenze von 1.000 mg. Eine sehr hohe Cholinzufuhr kann unter anderem zu Fischgeruch, Erbrechen, exzessivem Schwitzen und Speichelfluss, niedrigem Blutdruck sowie Lebertoxizität führen. Außerdem könnte sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen (National Institutes of Health 2022).

Hinweise für die Supplementierung

Cholin kommt in verschiedenen Formen in Nahrungsergänzungsmitteln vor. Eine geläufige Art, um Cholin zu supplementieren, stellen Lecithinpräparate auf Basis von Soja, Sonnenblumenkernen oder Rapssaat dar. In ihnen liegt Cholin in Form von Phosphatidylcholin vor. Reines Lecithin enthält allerdings nur 20–27 % Phosphatidylcholin. Cholin macht wiederum nur ca. 13 % des Gewichts von Phosphatidylcholin aus (Koc et al. 2002). Ein Supplement, das 3.080 mg Phosphatidylcholin enthält, weist also einen Cholingehalt von 400 mg auf. Dementsprechend sollte die Packungsangabe genau gelesen und die Dosierung je nach individuellem Bedarf angepasst werden.

Daneben existieren auch Cholinsupplemente mit anderen Cholinformen wie Citicolin (CDP-Cholin), Cholinbitartrat sowie Alpha-Glycerophosphocholin, die im menschlichen Körper eine gute Wirkung erzielen dürften, wie eine aktuelle umfassende Übersichtsarbeit zeigt. Weitere Studien sind jedoch wünschenswert, um die Effekte der verschiedenen Formen besser miteinander vergleichen zu können (Kansakar et al. 2023).

Fazit

  • Die Datenlage zu Cholin ist begrenzt. Daher empfehlen manche Fachgesellschaften eine Zufuhr von Cholin über Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel, andere nicht.
  • Prinzipiell kann der menschliche Körper selbst Cholin bilden. Für manche Menschen kann Cholin jedoch aufgrund eines genetischen Polymorphismus einen essentiellen Nährstoff darstellen.
  • Ein Gremium der EFSA rät zu einer Aufnahme von 400 mg pro Tag für Erwachsene. Schwangeren werden 480 mg empfohlen, Stillenden 520 mg. Aufgrund der unzureichenden Datenlage konnten bisher jedoch keine Referenzwerte, sondern lediglich Werte für eine angemessene tägliche Zufuhr festgelegt werden.
  • Mangelsymptome kommen nur sehr selten vor, obwohl viele Menschen deutlich weniger als die von der EFSA vorgeschlagenen 400 mg aufnehmen.
  • Rein pflanzlich ist eine Versorgung mit 400 mg Cholin möglich, sofern auf eine vollwertige und abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl gezielt geachtet wird. Gute Quellen sind vor allem Sojabohnen und -produkte, weitere Hülsenfrüchte, Quinoa und weitere Vollkorngetreide bzw. Pseudogetreide, Nüsse und Samen sowie Gemüse aus der Kraut- und Kohlfamilie.
  • Lecithin auf Basis von Soja, Sonnenblumenkernen oder Raps kann als Nahrungsergänzung zur Bedarfsdeckung herangezogen werden. Dabei sollte die richtige Dosierung beachtet werden. Ein Supplement mit 3.080 mg Phosphatidylcholin enthält ca. 400 mg Cholin.
  • Aufgrund der potentiellen Vorteile für die Gehirnentwicklung und Kognition des Kindes und der Reduktion von Neuralrohrdefekten sollte vor allem während der Schwangerschaft und Stillzeit den Empfehlungen entsprechend auf eine ausreichende Cholinzufuhr geachtet werden.

Quellen

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Bildquelle: Brent Hofacker