Amazonas – Regenwaldzerstörung für die Ernährung

Amazonas – Regenwaldzerstörung für die Ernährung

06.04.2023


© Victor Moriyama/Greenpeace

Wir stecken in einer Klima- und Biodiversitätskrise, die Uhr steht auf fünf vor zwölf. Während die Emissionen von Kohlendioxid, Methan und Lachgas zunehmen, steigt auch die Zahl von Pflanzen und Tieren, die vom Aussterben bedroht sind. Ein Krisenzentrum ist der Amazonas-Regenwald.

Grüne Lunge und Heimat von Flora und Fauna in Gefahr

Als größter Regenwald der Erde erstreckt sich der Amazonas über neun südamerikanische Länder und ist mit 6,7 Millionen Quadratkilometern wesentlich größer als die Europäische Union. Als artenreichster Regenwald der Welt beheimatet er mindestens 40.000 Pflanzenarten, 1.300 Vogelarten und jeweils 400 Arten an Säugetieren, Reptilien und Amphibien. Jaguare, Ozelote, Faultiere, Wasserschweine sowie rosa und graue Flussdelfine zählen zu den größten Tieren unter ihnen.

Als grüne Lunge der Erde nimmt der Amazonas enorme Mengen an Kohlendioxid auf, speichert es in Pflanzen und Böden, gibt Sauerstoff an die Luft ab und wirkt dadurch stabilisierend auf das globale Klima. Der Amazonas ist im Kampf gegen die Klima- und Biodiversitätskrise somit essenziell. Durch die ökologischen Krisen ist der südamerikanische Regenwald aber auch zunehmend geschwächt. Waldzerstörung und steigende Temperaturen führen dazu, dass der Amazonas seit kurzem sogar mehr CO2 abgibt, als er aufnimmt.

Vom sechsten großen Artensterben, in dem wir uns aktuell befinden, sind lateinamerikanische Regionen besonders betroffen. So haben die Populationen von Säugetieren, Vögeln, Fischen und Reptilien in den letzten fünfzig Jahren um 89 Prozent abgenommen. Immer mehr Tiere sind vom Aussterben bedroht, da Waldrodungen und -brände im Amazonas auf der Tagesordnung stehen. Im letzten Jahr sind 10.600 Quadratkilometer Amazonas-Regenwald in Brasilien zerstört worden. Das entspricht 3.000 Fußballfeldern – pro Tag. Es brennen allerdings nicht nur die Wälder, sondern auch Tiere und Pflanzen, die im Amazonas beheimatet sind, und das Zuhause der indigenen Bevölkerung. Es verbrennt die Hoffnung, die Klima- und Biodiversitätskrise bekämpfen zu können.


© iStock.com/Paralaxis
Amazonas-Regenwälder werden für die Rinderhaltung zerstört.

Fleisch und Futtersoja zerstören den Amazonas

Doch warum brennt der Amazonas überhaupt? Für ein Stück totes Tier am Teller. Für ein Stück totes Tier, das zuvor in Zucht-, Mast- und Schlachtanlagen gelitten hat und mit Soja gefüttert wurde. Für ein Stück totes Tier, das auf gerodetem Land zusammengepfercht wurde, wo einst immergrüner Regenwald stand, und auf dem es extremer Hitze, starkem Regen und sonstiger Witterung ausgesetzt wurde. Für ein Stück totes Tier am Teller wird nicht nur dessen Leben genommen, sondern auch das Leben von anderen Tieren und Menschen aufs Spiel gesetzt.

Die Ausbeutung von Umwelt und Tieren ist die treibende Kraft der globalen Klima- und Biodiversitätskrise – auch im Amazonas. Bis zum heutigen Tag sind bereits 20 Prozent der Wälder im Amazonas zerstört worden. Sie mussten allen voran den Interessen der Agroindustrie weichen, die Weideflächen für Rinder und Ackerflächen für Soja schaffen wollte. Brasilien hat sich dadurch zum größten Rindfleisch- und Futtersojaexporteur der Welt entwickelt.

Keine andere Industrie hat derart viele Wälder zerstört wie die lateinamerikanische Tierindustrie, mit der die europäische Tierindustrie auf unserem Kontinent eng verbunden ist. Sie importiert pro Jahr 240.000 Tonnen Rindfleisch und 33 Millionen Tonnen Soja. Das Rindfleisch landet direkt auf dem Tisch und das Soja indirekt, indem es zuerst als Futtermittel an landwirtschaftlich gehaltene Tiere geht. Das deckt sich auch mit globalen Statistiken zur Sojabohne: Soja wird primär als Tierfutter (76 Prozent) verwendet, sekundär kommt es in Form von Sojaöl in der Lebensmittelindustrie (13 Prozent) vor und nur tertiär als Produkte für den menschlichen Verzehr wie Sojamilch, Tofu oder Tempeh (7 Prozent). Der Rest entfällt auf Agrotreibstoffe und sonstige Industrie (4 Prozent).

Sojabohne ist dabei nicht gleich Sojabohne: Während Soja für Futtermittel großteils aus Übersee stammt, werden für Lebensmittel aus der proteinreichen Hülsenfrucht großteils österreichische oder zumindest europäische Pflanzen verwendet. Beispielsweise bieten hierzulande alle Supermärkte und Discounter von ihren Veggie-Eigenmarken Sojamilch an, die aus österreichischen Sojabohnen hergestellt wird. Pflanzliche Fleisch- und Milchalternativen sind daher nicht nur gut für Tiere, sondern auch für den Schutz von Regenwäldern und somit für Umwelt und Klima. Sie nehmen den Druck weg, immer mehr und immer größere Flächen für die Tierindustrie schaffen zu müssen.


© Daniel Beltra/Greenpeace
Für den Anbau von Futtersoja werden artenreiche Amazonas-Regenwälder vernichtet.

Österreichische Agrarimporte hinterlassen Spuren

Österreicher:innen konsumieren pro Kopf und Jahr etwa 60 Kilogramm Fleisch. Dafür werden nicht nur 106 Millionen Hühner, Schweine und Rinder gezüchtet, gemästet und getötet, sondern auch 740.000 Tonnen Futtersoja aus Nord- und Südamerika importiert. Der Hunger nach Fleisch, Milch und Eiern macht Futtersoja zum größten Agrarimport der Nation. In Zahlen ausgedrückt: 285.700 Hektar werden vor allem in Brasilien, Argentinien und den USA belegt, um Soja für den heimischen Futtertrog anzubauen. Jahr für Jahr fallen für österreichisches Futtersoja 3 Millionen Tonnen Treibhausgase an.

Die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds und der Cerrado-Savanne in Brasilien, aus der ein großer Teil des Sojas mittlerweile stammt, stehen somit in einem direkten Zusammenhang mit dem Fleischkonsum in Österreich. Wie groß das Problem ist, zeigt sich auch im Vergleich mit Palmöl: Österreich importiert jährlich 37.000 Tonnen Palmöl für Lebens- und Futtermittel. Es wächst auf 9.500 Hektar und emittiert 0,5 Millionen Tonnen Treibhausgase. In anderen Worten: Futtersoja hat einen sehr viel größeren Klima- und Flächenfußabdruck als Palmöl. Für österreichische Futtersoja-Importe fallen sechs Mal mehr Treibhausgase als für Palmöl-Importe an und die Sojabohnen wachsen auf einer dreißig Mal so großen Fläche.

Das Problem von Futtersoja ist somit eindeutig größer als jenes von Palmöl, allerdings sind auch die Lösungschancen größer. Alternativen zu Palmöl sind schwer zu finden, da die Ölpalme sehr viel höhere Erträge als Kokos-, Raps- und Sonnenblumenpflanzen liefert. Ein Wechsel würde den Flächenbedarf in der Landwirtschaft erhöhen und auf weitere Ökosysteme Druck ausüben.

Alternativen zu Futtersoja sind dahingegen leicht zu finden, zumindest bei einem entsprechenden individuellen und politischen Willen. Bei einer rein pflanzlichen Ernährung werden keine Futtermittel benötigt, weder im Inland noch im Ausland, der Flächenbedarf sinkt auf null. Bei Ernährungsformen wie dem Vegetarismus oder Flexitarismus, wenn Fleisch ganz oder hin und wieder vom Speiseplan gestrichen wird, werden zumindest wesentlich weniger Futtermittel benötigt. Bei einer Reduktion des Fleischkonsums um 20 Prozent könnte Österreich das Futtersoja selbst anbauen und Importe aus gefährdeten Ökosystemen in anderen Ländern würden entfallen, wie eine Studie der Universität für Bodenkultur vorrechnet.

Den Fleischkonsum um 20 Prozent zu senken ist zwar aus der Perspektive von Gesundheit, Umwelt, Klima und Tieren nicht genug, aber zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Eine nachhaltige Transformation des Ernährungssystems muss weiter gehen, um nicht nur die Regenwälder und andere wertvolle Ökosysteme dieser Erde, sondern auch die auf ihr lebenden Menschen und anderen Tiere zu schützen.