Wissenschaftler:innen fordern Universitäten auf, ihre wegweisende Rolle in der Ernährungswende wahrzunehmen

Wissenschaftler:innen fordern Universitäten auf, ihre wegweisende Rolle in der Ernährungswende wahrzunehmen

28.06.2023

Das wissenschaftliche Journal „The Lancet Planetary Health“ befasst sich in seinen Artikeln mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen auf dem Gebiet der planetaren Gesundheit. In der Ausgabe vom Mai 2023 hat eine Gruppe Wissenschaftler:innen einen Kommentar zur Verpflegung in Universitätskantinen veröffentlicht. Sie nehmen schon in ihrer Überschrift die klare Forderung vorweg, dass Universitäten bei der Transformation unserer Ernährung eine entscheidende Rolle einnehmen und ihr pflanzliches Angebot stärker ausbauen müssen.

Die Notwendigkeit für einen Wandel ist bekannt

Unsere Ernährung muss sich aus klimapolitischen Gründen global verändern, um Ernährungssicherheit garantieren zu können. Dies unterstreichen die Autor:innen des Kommentars, indem sie sich unter anderem auf den letzten Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) sowie auf Berichte der EAT-Lancet Kommission berufen, in denen eine Ernährungswende durch eine substanzielle Reduktion von Tierprodukten dringend gefordert wird. Obwohl Universitäten Zentren aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und Beteiligte an neuester Forschung sind, ist es um die Ausweitung eines pflanzlichen Kantinenangebots noch schlecht bestellt.

Die Autor:innen betonen die vielfältigen negativen Effekte einer Ernährung mit starkem Tierproduktanteil: Zerfall und Ausbeutung von Ökosystemen, Fehlverteilung von Wasser und Land, Pandemierisiko, Luft- und Wasserverschmutzung sowie Tierleid. Sie gehen davon aus, dass gerade die Studierendenpopulation ein hohes Bewusstsein für diese Konsequenzen hat und sie vermeiden möchte. Durch ein vielseitigeres, pflanzlicheres Mensaangebot könnten Universitäten in den Augen der Wissenschaftler:innen diese Themen adressieren, Geld sparen und ihren Studierenden sowie Mitarbeiter:innen eine gesunde Mahlzeit bieten.

Was ist zu tun? Dringender Handlungsbedarf.

Immer noch verwerten Universitäten im Durchschnitt mehrere Tonnen Tierprodukte im Monat, was einen direkten ökowirtschaftlichen Effekt hat und sich auf die Gesundheit der Konsument:innen auswirkt. Damit senden Universitäten an Studierende, Mitarbeiter:innen und die Öffentlichkeit das Zeichen, dass ein solches Konzept immer noch tragbar ist. Die Autor:innen fordern, dass Universitäten ihre Verantwortung und ihren Bildungsauftrag wahrnehmen und demonstrieren, wie der Wandel hin zu einer planetar und gesundheitlich verträglicheren Ernährung umgesetzt werden kann. Die Prinzipien der Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit und unser Ökosystem sollten nicht hinter die Prinzipien von Komfort und Gewohnheit gestellt werden.

Die Verfasser:innen des Kommentars beklagen, dass einige Universitäten zwar schon Handlungsansätze vorzuweisen haben, die tatsächliche Nachfrage nach pflanzlichen Mahlzeiten trotzdem bei Weitem nicht bedienen würden. Sie schlagen mehrere Maßnahmen vor, um diesem Ziel näher zu kommen. Primär fordern sie, dass täglich zumindest ein bezahlbares, gesundes und schmackhaftes Gericht zur Wahl steht. Noch besser wäre ein breites Angebot an pflanzlichen Optionen, unter denen auch Produkte mit Nährstoffzusätzen zu finden sind, um den täglichen Bedarf angemessen und gemäß aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu decken. Darüber hinaus schlagen sie vor, Konsument:innen über die Lebensmittel und Gerichte, die sie essen, aufzuklären, beispielsweise durch allgemeine Ernährungsbildung oder durch spezifische Nährstofflegenden für die einzelnen Produkte und Gerichte. Außerdem werden Nudging-Methoden empfohlen, beispielsweise die Reduktion tierischer Komponenten in einem Gericht oder leichte Preisanpassungen. 

Als positive Praxisbeispiele werden das Mensaangebot in Berlin sowie die Mensa der Erasmus Universität angeführt. Der Transformationsprozess hin zu weniger Tierprodukten wurde in beiden Fällen stark von der Studierendenschaft vorangetrieben. Auch in Österreich gibt es einige Best-Practise-Beispiele, etwa die Mensa der Montanuniversität Leoben sowie drei Mensen der BOKU Wien. Mehr dazu, wie pflanzliche Ernährung an den Universitäten in Österreich bereits umgesetzt wird, können Sie hier lesen.

Grundsätzlich empfehlen die Autor:innen, Maßnahmen vor allem mit der Zustimmung der Konsument:innen umzusetzen. Dennoch können Standorte, wo bereits Ansätze für ein pflanzlicheres Angebot bestehen, diese Maßnahmen vorsichtig verstärken, etwa durch weitere Preissteigerungen/-senkungen oder eine Reduktion von beliebten jedoch kontraproduktiven Speisen.

Zukunftsvision

Die Wissenschaftler:innen betonen abschließend die Rolle, die Universitäten in der Gestaltung unserer Zukunft spielen. Sie sind wegweisend, bilden die zukünftigen Generationen von Forschenden und Innovator:innen aus und stellen somit einen Ort mit hohem Impact-Potenzial dar. Wie die Ernährungswende an Universitäten gestaltet und gefördert wird, kann einen großen Einfluss auf die Einstellung und weitere Lebensweise der Studierenden und Mitarbeiter:innen haben. Die Autor:innen schließen ihren Kommentar mit der Forderung, den Tierproduktkonsum in den nächsten drei Jahren um die Hälfte zu reduzieren.

In Portugal sind Kantinen öffentlicher Einrichtungen bereits seit 2017 gesetzlich verpflichtet, mindestens ein veganes Gericht anzubieten. Lesen Sie hier mehr.

Was hinter dem Begriff „Planetary Health Diet“ steckt, erfahren Sie hier.