Fotografie und Aktivismus: Jan Engelhardt im Interview

Fotografie und Aktivismus: Jan Engelhardt im Interview

04.07.2023

Jan Engelhardt lebt am Rande des Ruhrgebiets und ist Tierschutzfotograf. Seine Arbeit führt ihn weit über Grenzen hinaus. In regelmäßigen Abständen besucht er Lebenshöfe in verschiedenen Ländern und lichtet deren Bewohner:innen ab. Einige der Bilder landen danach auf den Instagram-Accounts @huehnerbande_ und @jan_vgn. Auch für unseren Tattoobeitrag hat uns Jan bereits ein Foto zur Verfügung gestellt. Wir haben ihm nun einige Fragen zu seiner Arbeit gestellt.

Jan_Hahn

Dein Fokus liegt auf Fotographie. Wie bist du dazu gekommen und welche Aspekte sind dir dabei wichtig? Du kannst auch gerne von deinem Stil und deinem Equipment erzählen!

Schon in meiner frühen Jugend habe ich mich für Video- und Fotografie interessiert und mich mit der Technik des Fotografierens beschäftigt. Nachdem ich dann vegan wurde, habe ich mich gefragt, was ich noch zusätzlich tun kann, um mich für Tiere einzusetzen. Damals habe ich mich viel mit Speziesismus befasst und nicht verstanden, warum Menschen so stark zwischen Tierarten differenzieren. Daher habe ich beschlossen, mich mit der Fotografie für Tiere einzusetzen. Um dies konkreter zu gestalten, habe ich dann ein Projekt gestartet, bei dem ich gezielt Lebenshöfe besuche und größtenteils Tiere aus der Massentierhaltung fotografiere. Die Fotos stelle ich den Höfen dann im Anschluss zur Verfügung und lade manche auf meiner Instagram-Seite hoch. Mittlerweile ist aus diesem Projekt meine Form des Aktivismus geworden.

Viele Menschen haben ein Huhn noch nie so wie einen Hund fotografiert gesehen. Ein Foto, das sich auf die Einzigartigkeit des Tiers konzentriert und das einerseits seine Schönheit zeigt, andererseits auch, wie individuell und faszinierend es ist. Gerade die Individualität wird z. B. Hühnern schnell abgesprochen, da man sie nur als Teil einer riesigen eingesperrten Masse sieht. Dies trifft auch auf alle anderen Tierarten zu, die industriell gehalten werden.

Mit meinen Fotos verfolge ich das Ziel, Menschen zu zeigen, dass sogenannte Nutztiere genauso vielfältige Wesen wie andere Tiere sind – und ihnen von Menschen bzw. der Gesellschaft dieselben Rechte zugesprochen werden sollten. Dabei ist es immer mein Anspruch, technisch und optisch hochwertige Fotos zu machen. Wenn ich ein Tier fotografiere, versuche ich dies immer buchstäblich auf Augenhöhe zu tun, um eine Perspektive „von oben herab“ zu vermeiden.

Jan_Pute

Wie stehst du persönlich zu Veganismus und wie kamst du dazu, auf tierische Produkte zu verzichten?

Angefangen hat es vor knapp zehn Jahren damit, dass ich aufgehört habe, Fisch zu essen. Damals habe ich über die Band „Heaven Shall Burn“ und ihren Song „Hunters will be hunted“ Sea Shepherd kennengelernt und sofort beschlossen, keinen Fisch mehr zu essen. Kurze Zeit später bin ich Vegetarier geworden, weil es mir unlogisch vorkam, zwischen Meeres- und Landtieren zu unterscheiden.

Vor sieben Jahren bin ich dann durch meine Frau (sie war zu dem Zeitpunkt schon drei Jahre lang vegan) mit dem Veganismus in Berührung gekommen. In den darauffolgenden Monaten ist mir immer mehr bewusst geworden, dass das Vegetarischsein nicht reicht und dass für den Konsum von Milchprodukten und Eiern trotzdem Tiere leiden und sterben müssen. Gleichzeitig konnte ich sehen, wie einfach es ist, Alternativen zu tierischen Produkten zu konsumieren. An einem Morgen habe ich dann entschieden, mich ab sofort vegan zu ernähren, und würde sagen, dass das rückblickend die beste Entscheidung meines Lebens war. Ich fühlte mich damit körperlich und mental sofort besser und empfinde das so bis heute.

Veganismus ist für mich eine Grundeinstellung, die sich in allen meinen Lebensbereichen widerspiegelt. Das bedeutet für mich, dass ich selbstverständlich auch keine Materialien wie Leder oder Wolle sowie keine Produkte tierischen Ursprungs, z. B. in Kosmetika oder Reinigungsmitteln, verwende. Für mich steht der Veganismus für Respekt gegenüber allen Lebewesen und unserer Umwelt.

Jan_Pute

Immer wieder stehst du mit verschiedenen Lebenshöfen in Kontakt. Was bedeuten diese Orte für dich? Welchen Bezug hast du zu Lebenshöfen?

Lebenshöfe sind für mich ein Ort des Friedens. Hier können Tiere, die Schlimmes erfahren mussten, ankommen und einfach sie selbst sein; ohne Angst haben zu müssen. Diese Höfe haben immer etwas Magisches und sind wie eine kleine sichere Oase für Tiere. Gleichzeitig stehen sie aber auch für körperlich schwere Arbeit für die Menschen, die sich tagtäglich um die Tiere kümmern. Auch Sorgen wegen finanzieller Engpässe oder wegen des Gesundheitszustands eines Tiers gehören zu den täglichen Herausforderungen. Freude und Trauer, Leben und Tod sind irgendwie immer gleichzeitig präsent. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie mit der sowohl stark emotionalen als auch körperlichen Arbeit an diesen Orten umgegangen wird.

Bei wie vielen Lebenshöfen warst du bereits Gast und wie kommst du in Kontakt?

Ich habe bisher dreizehn vegane Lebenshöfe, teilweise mehrfach, besucht. Die letzten vier Höfe waren in Österreich. Der Kontakt entsteht immer über Instagram; entweder schreibe ich die Höfe an oder sie laden mich ein.

Jan_Lebenshof

Ist es Zufall, dass Hühner auf so vielen Bildern zu sehen sind?

Nicht so ganz. Meine Frau und ich haben vor zwei Jahren über den Verein „Rettet das Huhn e. V.“ Hühner aus einem Bodenhaltungsbetrieb aufgenommen. Da wir unsere Erfahrung und die Geschichte der Hühner mit anderen teilen wollten, haben wir eine eigene Instagram-Seite (@huehnerbande_) dafür erstellt. Hierfür habe ich unsere Hühner dann beinahe täglich fotografiert, wodurch ich besonders viel Erfahrung im Fotografieren von Hühnern entwickelt habe. Ich hatte sehr viel Zeit, sie zu beobachten und kennenzulernen, so dass ich mich in dem Bereich ganz automatisch etwas spezialisiert habe.

Gibt es zu jedem Foto eine Geschichte oder entstehen diese erst durch die Fotografie?

Für mich ist der Moment, in dem das Foto entsteht, die Geschichte. In dem Moment werde ich von dem Tier als „sicher“ akzeptiert, meistens auch neugierig angeschaut oder es kommt sogar auf mich zu.
Manchmal erzähle ich auch von der Herkunft oder Situation des Tiers, aber in den meisten Fällen möchte ich, dass der Ausdruck des Tiers auf dem Bild für sich spricht.

Jan_Ente

Hast du eine besonders schöne (oder auch tragische) Geschichte für uns?

Für mich persönlich war das Zusammenleben mit unserer kleinen Henne Bärbel eine wunderschöne Geschichte. Als wir sie damals aufgenommen haben, war sie die Henne, die die wenigstens Federn und die meiste Angst hatte. Erst nach Monaten hat sie sich getraut, in unsere Nähe zu kommen, und irgendwann vertraute sie uns immer mehr. Ein Moment ist mir in besonderer Erinnerung geblieben: Ich lag im Garten mit dem Bauch auf dem Boden und habe mal wieder die Hühner fotografiert, als Bärbel auf einmal auf meinen Rücken hüpfte und auf mir herumkletterte. Es war so schön zu sehen, dass sie endlich ohne Angst leben und ihrer Neugier nachgehen konnte. Leider ist Bärbel vor einiger Zeit gestorben – sie wird aber, wie auch die anderen, nie vergessen.

Der Begriff Aktivismus ist bereits gefallen. Wie stehst du zum Aktivismus in Bezug auf Veganismus und Tierrecht?

Aktivismus ist ein wichtiges Mittel, um z. B. über die grausamen Haltungsbedingungen der Tierindustrie oder die Folgen der Massentierhaltung aufzuklären. Dabei kann die Art des Aktivismus ganz unterschiedlich sein, z. B. das Besuchen von Demos, das Gründen eines Lebenshofs oder ein regelmäßiges veganes Koch-Event. Das ganze Thema ist so facettenreich, dass sich jede Person auf irgendeine Art und Weise einbringen kann – je nach Zeit und mentaler Kapazität.

Vegan zu leben ist für mich auch eine starke Form des Aktivismus. Es zeigt, dass man bereit ist, sich zu ändern und konsequent zu handeln.

Die letzte Frage gehört dir. Magst du noch etwas anmerken?

Nur einen Impuls für die Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen keinen Aktivismus betreiben können: Lebenshöfe sind regelmäßig auf Spenden oder tatkräftige Unterstützung an Helfer:innen-Tagen angewiesen. Schaut einfach, welcher Lebenshof bei euch in der Nähe ist und wie ihr ihn unterstützen könnt. Auch der Support auf Social Media hilft.

Vielen Dank für das Interview und die Möglichkeit, über meine Arbeit zu sprechen! 

Fotocredits: @huehnerbande/@jan_vgn