Unser täglich Fleisch und der Hunger in der Welt

Unser täglich Fleisch und der Hunger in der Welt

18.10.2016

Das Wachstum der Bevölkerung wirft soziale und ökologische Fragen auf: Wann ist die ökologische Tragfähigkeitsgrenze der Erde erreicht? Werden vermehrt Konflikte um begrenzte Ressourcen ausbrechen? Wie viele Menschen können ernährt werden? Und wie kann das globale Hungerproblem gelöst werden?

Hunger – Status Quo

Derzeit werden 50 Prozent mehr Lebensmittel produziert als die gesamte Weltbevölkerung benötigen würde. Es könnten damit 10 Milliarden Menschen ernährt werden. Dies würde etwa der prognostizierten Bevölkerungszahl von 2050 entsprechen. Die Ursache von Hunger ist keine Knappheit an Lebensmitteln, sondern vorwiegend Armut und ein Verteilungsproblem. Während viele Menschen, vor allem im Globalen Süden, hungern, hat der Globale Norden zu viele Nahrungsmittel zur Verfügung, große Mengen davon werden an sogenannte „Nutztiere“ verfüttert oder in Biotreibstoffe umwandelt.

Jede:r Neunte leidet heute an Hunger – in Summe etwa 800 Millionen. Dieser ist global sehr ungleich verteilt – die meisten Hungernden leben in Subsahara-Afrika und Asien. Große Fortschritte in der Hungerbekämpfung konnten in den 1980er bis Mitte der 1990er Jahre erzielt werden. Doch aufgrund steigender Lebensmittelpreise und Nachwehen der Wirtschaftskrise ist heute ein Anstieg der Hungerproblematik zu verzeichnen. Laut den Vereinten Nationen müsste die Nahrungsmittelproduktion um 65 Prozent in den nächsten 35 Jahren steigen, um die bis dahin 9,7 Milliarden große Weltbevölkerung zu ernähren.

Die Bekämpfung des Welthungers – Die Rolle der pflanzlichen Ernährung

Die Bekämpfung des Welthungers kann nicht alleine durch Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft erreicht werden. Ein Wandel der Ernährungsgewohnheiten, vor allem in den Industriestaaten, in denen der Konsum von Fleisch und anderen tierischen Lebensmitteln besonders hoch ist, ist unentbehrlich. Je mehr tierische Lebensmittel global konsumiert werden, desto weniger Menschen können ernährt werden. Der Kampf um Ressourcen wie Wasser und Land zwischen Tierindustrie und ansässiger Bevölkerung wird in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich zunehmen. Wie viele Menschen können nun omnivor, vegetarisch oder vegan ernährt werden? Die Antwort darauf gibt eine neue Studie: Die USA etwa könnte 735 Millionen Menschen mit einer veganen Ernährung versorgen, jedoch nur 400 Millionen mit der derzeit typisch fleischlastigen Ernährung der US-Amerikaner:innen.

Die Anzahl an sogenannten „Nutztieren“ hat sich seit 1950 verfünffacht. Derzeit leben drei Mal so viele „Nutztiere“ wie Menschen auf der Erde und konsumieren die Hälfte des global verfügbaren Getreides. Die vegetarische Ernährung benötigt ähnlich hohe Ressourcen (Boden, Wasser, Futtermittel etc.) wie die omnivore. Verzichtet man aus ökologischen, sozialen und/oder ethischen Gründen auf Fleisch, solle ebenso auf Milch und Eier verzichtet werden.

Veredlungsverluste

Die Produktion tierischer Lebensmittel ist energetisch betrachtet hochgradig ineffizient: Tiere, wie Menschen, Kühe und Schweine, benötigen den Großteil der in der Nahrung enthaltenen Energie für Verdauungstätigkeiten, Bewegung und die Aufrechterhaltung anderer Körperfunktionen. Nur ein Bruchteil kann für den Aufbau von Körpermasse verwendet werden. Dies ist auch der Grund, warum einer Kuh etwa 16 kg Getreide gefüttert werden muss, damit ein 1 kg Fleisch „produziert“ werden kann. Diese sogenannten Veredelungsverluste zeigen, wie ineffizient die Herstellung tierischer Lebensmittel ist. Eine Kuh kann etwa 10 Prozent der zugeführten Energie in den Aufbau von Körpermasse stecken. Werden der Kuh etwa 20.000 kcal Getreide pro Tag gefüttert, kann sie 2.000 kcal anlegen. Es könnten allerdings auch 10 Menschen, die durchschnittlich 2.000 kcal zu sich nehmen, ernährt werden.

Futtermittelimporte

Die Verwendung von hohen Mengen an Futtermitteln ist nicht nur energetisch ineffizient, sondern trägt zur globalen Hungerproblematik bei. Industriestaaten importieren Millionen Tonnen an Getreide, Soja und anderen Pflanzen aus Ländern, in denen Hunger ein drastisches Problem darstellt. Acht von zehn hungernden Kindern leben in Ländern, die Nahrung für den Export anbauen und welche anschließend in den Futtertrögen reicherer Länder landet. Die heimische Fleischproduktion würde ohne Futtermittelimporte zusammenbrechen. Der Anbau von Futtermitteln führt nicht nur zu Hunger in sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern. Soja ist ein Paradebeispiel für die ökologischen Auswirkungen der Futtermittelproduktion: Zum Anbau von Soja wird pro Minute ein Fußballfeld großes Stück Amazonas-Regenwald abgeholzt. Durch den Monokulturanbau von Soja werden die Böden stark geschwächt. Es ist damit zu rechnen, dass innerhalb weniger Jahre der einst so wertvolle Regenwaldboden unfruchtbar wird und sich die Ernährungssituation der heimischen Bevölkerung weiter verschlechtert. Weitere Auswirkungen von Brandrodungen im Amazonas-Regenwald sind Vertreibungen von Menschen und Verstärkung des Artensterbens, da der dort beheimateten Flora und Fauna immer weniger Platz zur Verfügung steht.

Exkurs – Die Wurzeln der Hungerproblematik

Die globale Hungerproblematik hat viele verschiedene, teilweise miteinander verbundene und einander verstärkende Ursachen. Von Armut betroffene Menschen befinden sich oftmals in einer Teufelsspirale: Ihnen fehlen die finanziellen Mittel, um genügend nährstoffreiche Nahrung zu sich zu nehmen. Folgen sind Hunger und Mangelernährung, die Menschen werden schwächer und krankheitsanfälliger. Die Aussichten eine existenzsichernde Arbeit zu finden und Armut und Hunger zu entkommen verschlechtern sich. Vielen Landwirten fehlt oft das Geld Samen, Dünger oder technische Hilfsmittel zu kaufen. Mit ihren Ernteerträgen sind sie oft nicht wettbewerbsfähig. In vielen sogenannten Entwicklungsländern fehlen grundlegende Investitionen, die zur Ausgestaltung des Agrarsektors notwendig sind (z.B. schlecht ausgebautes Straßennetz, keine vorhandene Lager- oder Vermarktungsstruktur). Der hohe Konsum von tierischen Lebensmitteln vor allem in den Industriestaaten erfordert riesige Mengen an Futtermitteln. Diese Importe erhöhen die Weltmarktpreise und machen den Konsum dieser Lebensmittel in den Anbaugebieten oftmals unmöglich. Die Lebensmittelverschwendung ist nicht nur angesichts der hohen Anzahl an Hungernden sozial und ethisch verwerflich, sondern auch aus ökologischer Sicht. Wertvolle Ressourcen werden umsonst beansprucht und verbraucht. Seit einigen Jahren sind die Lebensmittelpreise von relativ hohen Preisschwankungengeprägt. Besonders die Wirtschaftskrise hat zu Nahrungsmittelengpässen in vielen Regionen geführt bzw. diese verstärkt. Der Klimawandel und unökologische Wirtschaftsweisen bedrohen in hohem Maße die Ernährungssicherheit – Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, Hochwasser und Dürre treten häufiger auf, Böden sind von Erosion, Entwaldung, Versalzung und sinkender Fruchtbarkeit wegen Monokulturanbau betroffen. Hunger, Armut und der Kampf um Ressourcen wie Nahrung, Boden und Wasser können zu bewaffneten Konflikten und Kriegen führen. Kriege können weiters die Ursache oder Verstärkung der Hungerproblematik sein – Menschen auf der Flucht oder in Kriegsgebieten harren oft tage- oder wochenlang ohne Nahrung aus. Im Krieg werden Nahrungsmittel oft zu einer Waffe, etwa bei der beabsichtigten Zerstörung von Vorräten zur Schwächung des Gegners.

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