Zwei Schweine – zwei Leben

Zwei Schweine – zwei Leben

15.03.2016

Paul

Die lieblose Geburt

Ein kalter, mit Kot verschmierter Betonspaltenboden ist der Geburtsort des kleinen Ferkels Paul. Die Luft ist stickig und beißend. Seine Mutter ist eingepfercht im Abferkelgitter und gebärt seine zahlreichen Brüder und Schwestern. Sie kann ihre Kinder weder begrüßen noch sich um sie kümmern. Der Käfig um ihren Körper lässt lediglich Platz für die Zitzen und die Geburt – bewegen kann sich die Mutter kaum.

Betäubungslose Kastration

Nach nur wenigen Tagen wird Paul seiner Mutter zum ersten Mal entrissen, um kastriert zu werden. Von zwei Arbeitern gepackt und unter panischem und schmerzerfülltem Quietschen wird dem kleinen Paul komplett ohne Betäubung mit einem Skalpell die Haut aufgeschnitten, die Hoden werden herausgezogen und der Samenstrang einfach abgeklemmt. Auch seine Hauer und sein Schwänzchen werden kupiert, um Verletzungen durch andere Schweine, die erst durch das viel zu geringe Platz- und Beschäftigungsangebot entstehen, vorzubeugen. Nach einer kurzen Desinfektion wird er wieder zurück in die trostlose Abferkelbuchtgebracht und muss mitanhören, wie seine Geschwister dasselbe traumatische Erlebnis über sich ergehen lassen müssen. Die Schmerzen werden ihn noch mehrere Tage begleiten.

Monotonie in der Mast

Nach etwa vier Wochen folgt die permanente Trennung vom Muttertier. Die Schweine werden in eine separate Aufzuchtstation befördert, damit ihre Mutter schnell wieder künstlich geschwängert werden kann. Ein Zyklus, den sie bis zum Ende ihres Lebens erdulden muss. Die natürliche Neugier und der Entdeckungsdrang der jungen Schweine werden völlig außer Acht gelassen. Demnach beschränkt sich der Lebensraum der Tiere für die nächsten zwei Monate auf harten Betonspaltenboden ohne Einstreu oder Stroh. Auch Beschäftigungsmöglichkeiten oder sonstige Umweltreize gibt es nicht. Die letzte Station ist die Mast. Vier Monate lang muss Paul zusammengedrängt mit den anderen Tieren im tristen Alltag aus fressen und schlafen ausharren. Der Kot lagert sich unter dem Spalten des Betonbodens ab und erhöht so den Ammoniakgehalt der Luft. Dies führt bei den Schweinen zu starkem Husten und Entzündungen der Augen. Die erdrückende Monotonie hinterlässt Spuren an der Psyche dieser intelligenten und sensiblen Tiere: aus Beschäftigungsmangel und der daraus resultierenden Aggression beißen sich manche die Ohren oder Schwanzkuppen an. Blutige Wunden werden nicht versorgt, denn individuelle tierärztliche Betreuung passt nicht ins Tierfabriksmodell. Prophylaktisch werden Antibiotika ins Futter gegeben. Ausschuss in Form von toten Schweinen ist miteinkalkuliert.

Schlachtung nach nur 7 Monaten Leben

Am Ende der Mast wiegt Paul bereits 120 kg. Eigentlich ist er mit seinen sieben Monaten fast noch ein Kind, da Schweine in der Natur ein Alter von bis zu zwölf Jahren erreichen. Doch so viel Zeit bleibt Paul nicht, er hat sein rentables Zielgewicht erreicht und muss nun dem Zweck seiner Zeugung entgegentreten: der Schlachtung. Von den Arbeitern in den Transporter getrieben, muss er die stundenlange Fahrt zum Schlachthof antreten. Dort angekommen, kann er das Blut seiner Leidensgenossen riechen und wehrt sich panisch gegen den Ausstieg. Am Oberkiefer angebunden wird er zur Schlachtbank gezerrt. Dort angekommen wird ihm zunächst mit einem Elektroschock das Bewusstsein genommen. Anschließend wird Paul mit Hilfe einer Eisenkette an den Hinterbeinen aufgehängt, um dem Schlachter somit eine möglichst bequeme Position zu bieten ihm die Kehle durchzuschneiden. Langsam entrinnt das Leben aus Paul.

Paul teilt sein Schicksal mit 5,5 Millionen anderen Schweinen, die jährlich in Österreich geschlachtet werden. 3,5 Millionen befinden sich derzeit in den österreichischen Mastbetrieben, wobei knapp drei Viertel davon in Großbetrieben mit 200-1000 Tieren leben müssen. Während die Anzahl der Betriebe kontinuierlich gesunken ist, hat sich die durchschnittliche Besatzdichte stark vergrößert. (Quelle: Statistik Austria, Agrarstrukturerhebung 2013)

Herr Hübl

Ein Gastbeitrag vom Tierparadies Schabenreith.

Herr Hübl kam als Baby im „Spanferkelalter“ ins Tierparadies Schabenreith. Zuvor war er im Wiener Tierschutzhaus in Vösendorf untergebracht. Liebevolle Menschen haben dafür gesorgt, dass er nicht wie geplant auf dem Grill landete und sich im Tierparadies seines Lebens erfreuen kann. Doris und Harald haben ihn und ein Hängebauchschwein im November 2003 in Vösendorf abgeholt. Während die Schweinedame zu Ehren der damaligen Präsidentin des Wiener Tierschutzvereines Frau Loubé genannt wurde, erhielt der kleine Schweinebub den Namen ihres Assistenten: Herr Hübl.

Neugierig und voller Tatendrang erkundete er sein neues Zuhause. Herr Hübl teilt sich den Stall und die riesige Weide mit Schweindame Johanna-Rosina, den Pferden, Hühnern und Pfauen. Die Hängebauchschweinebande treibt ihr (Un)Wesen im Westflügel des Anwesens.

Herr Hübl hat ein sehr freundliches, ausgeglichenes Wesen, freut sich stets über Streicheleinheiten – vor allem am Bauch! – und tut den lieben langen Tag all das, wonach ihm gerade der Sinn steht und was ihm gefällt. Ob auf dem Strohbett im Stall zu schlafen oder rauszugehen und die Weide nach Essbarem zu durchstöbern, ein Schlammbad zu nehmen oder einfach in der Wiese zu liegen. Zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehören jedenfalls wühlen, essen und schlafen. Katzen gar nicht so unähnlich.

Mit einem Zwischendurch-Leckerli in Form eines Apfels kann mensch Herrn Hübl eine Riesenfreude machen und seinem genüsslichen Schmatzen beiwohnen. Freude freut! Spezielles Schweinefrühstück und Abendessen bekommt er vom etwas anderen Bauern Harald persönlich oder aber auch von Tierpflegerin Sandra serviert. Und Zwerg Doris kommt natürlich auch täglich im Stall vorbei. Nicht selten mit einem Leckerbissen.

Herr Hübl gehört mit seinen knapp 12 Jahren schon zu den Schweinesenioren. Vor allem, wenn mensch bedenkt, dass seine Artgenoss:innen, die für den Verzehr gezüchtet werden, nur etwa ein halbes Jahr in Hallen „leben“, bevor sie im Schlachthof landen, also bereits im Kindesalter sterben müssen. Da es von daher (Fleischindustrie) gar nicht vorgesehen ist, dass Schweine ein hohes Alter erreichen, machen sich vor allem Probleme an den Gelenken bemerkbar. Schweinefreund Halli Galli hat uns leider schon im Alter von vier Jahren und fünf Monaten aufgrund einer Degeneration des Bewegungsapparates verlassen müssen. Gesundheitlich geht´s Herrn Hübl seinem Alter entsprechend. Es könnte besser sein.

Herr Hübl kennt – im drastischen Gegensatz zu seinen leidenden Artgenoss:innen in der Fleischindustrie – Wiesen, frische Luft, die Sonne, den Wind, Bäume, weiß wie es sich anfühlt, wenn es regnet oder schneit. Er weiß, wie es ist, in ein frischgemachtes Strohbettzu kommen (Ausgemistet wird in seiner Abwesenheit, also wenn er im Gelände unterwegs ist. Schlafeinheiten im Stall werden natürlich nicht gestört.) Und er weiß, wenn am Morgen die Stalltür aufgeht, dass hier Menschen kommen, die ihn bedingungslos lieben und nur das Beste für ihn wollen. Die für ihn da sein werden, solange er sich seines Lebens erfreut. Was Herr Hübl nur vom Hörensagen kennt, ist Stress. (Krah)