Vorurteile gegenüber pflanzlicher Ernährung

Vorurteile gegenüber pflanzlicher Ernährung

15.11.2016

Auch wenn der Veganismus in den letzten Jahren zu einer immer stärker akzeptierten Lebensweise geworden ist, werden Veganer:innen immer noch mit Vorurteilen und Vorwürfen bezüglich ihres Lebensstils konfrontiert. Wir präsentieren euch einige der besten (oder absurdesten) Aussagen.

„Das menschliche Gehirn hat sich dank des Fleischverzehrs so gut entwickelt.“

Die Gattung Mensch ist vor etwa zwei Millionen Jahren entstanden und hat sich seitdem unaufhaltsam weiterentwickelt und an die jeweiligen Umwelt- und Nahrungsbedingungen angepasst. Das menschliche Gehirn ist in Relation zur Körpergröße relativ groß und verbraucht einen beachtlichen Teil an Energie. Der erste Wachstumsschub des Gehirns dürfte durch das Konsumieren energiereichen Fleisches ausgelöst worden sein. Aber auch eine höhere UV-Exposition hat die Mutationsrate und Hirnentwicklung beschleunigt. Die nächste Phase der Hirnentwicklung scheint mit der Entdeckung des Kochens und besseren Verwertung von stärkehaltigen Gemüsesorten und Knollen zusammenzuhängen. Durch das Kochen wurde ein Teil des Verdauungsprozesses „ausgelagert“, die Nährstoffverwertung erforderte weniger Energie, die somit für die Hirnentwicklung zur Verfügung stand. Der Mensch verfügt wie Pflanzenfresser über das Speichelenzym Amylase, das ebenfalls so einer einfacheren Verwertung der Nahrung beiträgt. Selbst wenn Fleisch für die Gehirnentwicklung vor tausenden Jahren mitverantwortlich war, rechtfertigt dies nicht den Fleischkonsum im 21. Jahrhundert. Außerdem bezieht das Gehirn seine Energie aus Kohlenhydraten und nicht Proteinen.

„Unsere Reißzähne sind der Beweis, dass es natürlich ist Fleisch zu essen.“

Ein Kennzeichen der Gattung Mensch ist die hohe Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Nahrungsmittel. Was eine artgerechte Ernährung des Menschen ist, kann abgeleitet werden von der Ernährungsweise der nächsten tierischen Verwandten und von anatomischen und physiologischen Merkmalen. Menschenaffen ernähren sich vorwiegend von Blättern und Früchten, selten werden Insekten verzehrt. Die Anatomie und Physiologie des Menschen weisen darauf hin, dass sich unsere Ahnen vorwiegend pflanzlich ernährt haben. Die Größe des menschlichen Magens, Dünn- und Dickdarms ist jener von reinen Pflanzenfressern sehr ähnlich. Menschen können Vitamin C nicht synthetisieren. Dies lässt auf eine dauerhafte Nutzung pflanzlicher Nahrung schließen. Durch die Fertigung von Werkzeugen stieg der Fleischkonsum durch die Jagd. In den darauffolgenden Ackergesellschaften wurde die Ernährung mittels Pflanzen aber wieder wichtiger. Anatomisch besitzt der Mensch keine Reißzähne, sondern Eck- bzw. Fangzähne. Von Reißzähnen spricht man bei Hunde- und Katzenartigen. Übrigens hat der Gorilla dolchartige Fangzähne, ist aber reiner Pflanzenfresser.

„Veganer:innen ernähren sich ungesund und sind kraftlos.“

Eine vegane Ernährung bietet Menschen in allen Lebenslagen ausreichend Nährstoffe und trägt somit zu Gesundheit und Vitalität bei. Wie bei jeder anderen Ernährungsform ist auf Ausgewogenheit zu achten. Pflanzliche Proteine sind reichlich in Soja und anderen Hülsenfrüchten, Getreide und Gemüse enthalten. Eine rein pflanzliche Ernährung kann auch zur Prävention von Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Osteoporose beitragen.

„Wegen Sojamilch und Tofu wird der Regenwald zerstört.“

Die wachsende Fleischproduktion ist nur durch eine gesteigerte Sojaproduktion möglich und hauptverantwortlich für die Regenwaldzerstörung. Etwa 85 % des weltweiten Sojas wird als Futtermittel verwendet. Um diese massive Nachfrage nach Fleisch und Soja zu stillen, wird pro Sekunde eine fußballfeldgroße Fläche Amazonas-Regenwald gerodet und in weiterer Folge großteils gentechnisch verändertes Saatgut gepflanzt. Ohne billige Sojaimporte würde die österreichische tierische Landwirtschaft zusammenbrechen. In Österreich verkaufte Sojaprodukte wie Tofu und Sojamilch stammen meist aus heimischen oder europäischen, gentechnikfreien Sojabohnen.

„Veganer:innen essen meinem Essen das Essen weg.“

Diese Phrase sollte umformuliert werden zu „Fleischesser:innen essen anderen Menschen das Essen weg“, denn für die Produktion von tierischen Produkten werden riesige Mengen an Futtermitteln benötigt, die eigentlich direkt von Menschen verzehrt werden könnten. So werden 16 kg Getreide an eine Kuh verfüttert um 1 kg Fleisch zu erhalten. Der enorme Ressourcenverbrauch durch diese sogenannten „Veredelungsverluste“ gefährdet die globale Ernährungssicherheit und trägt zu Waldrodungen und zum Artenverlust bei. Vier von fünf hungernde und unterernährte Kinder stammen aus Ländern, die Nahrungsmittel in andere Länder exportieren, in denen diese vorwiegend als Futtermittel verwendet werden.

„Wenn alle Veganer:innen wären, gäbe es bald keine Tiere mehr.“

Je nach Gesellschaft wird eine sehr überschaubare Anzahl an Tierarten zu Nahrungszwecken gehalten. In Europa hauptsächlich etwa Kühe, Schweine, Hühner und Puten. Das Töten und Essen anderer Tierarten ist verpönt. Wären wir alle Veganer:innen, hätte dies nicht Zur Konsequenz, dass Millionen von Tierarten aussterben würden. Ganz im Gegenteil, eine der Hauptursachen des Artensterbens sind die durch die Tierhaltung verursachten Umweltschäden und Lebensraumverluste.

„Kühe geben ohnehin Milch. Es wäre eine Verschwendung sie nicht zu trinken.“

Kühe, Menschen und andere Säugetiere stellen Milch her, um ihre Kinder zu ernähren. Eine Kuh muss mehrmals im Leben befruchtet werden und ein Kalb gebären, um Milch zu geben. Es ist nicht der Wunsch der Kuh, dass ihr mehrmals im Leben kurz nach der Geburt ihr Kalb entrissen wird und sie geschlachtet wird, sobald sie nicht mehr höchste Milchleistungen erbringt. Ebenso wenig würden wildlebende Hühner so viele Eier legen, wie die hochgezüchteten sogenannten „Legehennen“.

„Wenn ein Löwe ein Zebra jagt und tötet, soll auch der Mensch Tiere essen dürfen.“

Karnivore wie Löwen sind auf den Konsum von Fleisch angewiesen, der menschliche Körper hingegen kann sowohl tierische als auch pflanzliche Lebensmittel verwerten. Das bequeme Einkaufen von Fleisch im Supermarkt – geschnitten, fertig abgepackt, damit möglichst wenig Ähnlichkeit mit einem lebenden Tier besteht – kann und soll nicht mit dem natürlichen Jagdverhalten von in der Wildnis lebenden Tieren gerechtfertigt werden.

„Veganer:innen haben mehr Mitgefühl für Tiere als für Menschen.“

Engagement für Menschen und Tiere schließt sich nicht aus. Eine vegane Lebensweise per se kostet nicht mehr Zeit und so bleibt ebenso viel Zeit, um sich für humanitäre, ökologische und/oder tierrechtliche Angelegenheiten stark zu machen. Auf diesen Vorwurf kann entgegnet werden, dass sich die Notlage anderer Menschen nicht bessern würde, wenn du Fleisch und andere tierische Produkten konsumieren würdest.

„Wenn du auf einer einsamen Insel wärst, würdest du lieber verhungern als ein Tier zu essen?“

Das Aufgreifen dieses fiktiven Szenarios ist ein Indiz, dass das Gegenüber entweder nur provozieren möchte oder keine realitätsnahen Argumente mehr parat hat. Man könnte scherzhaft entgegnen, dass man auf der einsamen Insel bestimmt zahlreiche Früchte finden würde. Inselszenario hin oder her, der Konsum von tierischen Produkten in einem Land wie Österreich lässt sich damit nicht rechtfertigen, denn hier ist es ein Leichtes sich rein pflanzlich zu ernähren.