Kalzium

Kalzium

15.05.2017

Versorgung bei veganer Ernährung

Kalzium ist mit 1 bis 1,4 Kilogramm der häufigste Mineralstoff im menschlichen Körper. Etwa 99 % sind im Skelett gespeichert, der Rest kommt in Zähnen und anderen Körpergeweben vor. Als bekannteste Kalziumquelle gilt bei uns Kuhmilch, aber auch mit pflanzlichen Lebensmitteln kann der Bedarf problemlos gedeckt werden.

Funktion & Mangel

Kalzium dient als wichtige Bausubstanz für die Knochen und verleiht dem Skelett so die notwendige Stabilität. Vor allem während des Wachstums ist eine ausreichende Kalziumzufuhr wichtig, um eine normale Knochenentwicklung zu gewährleisten. Fehlt Kindern Kalzium, bleiben ihre Knochen weich und verformen sich. Die Zahnbildung wird ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Wurde während der Kindheit und Jugend keine angemessene Knochenmineraldichte erreicht, erhöht sich das Risiko für Osteoporose im fortgeschrittenen Alter. Außerdem dient Kalzium als wichtiger Faktor bei der Blutgerinnung, stabilisiert Zellmembranen und ist wichtig für Reizübertragung und Muskelkontraktion.

Zufuhrempfehlungen

Für Erwachsene ab 19 Jahren wird von der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung eine Zufuhr von 1.000 Milligramm Kalzium pro Tag empfohlen. Aufgrund des höheren Bedarfs in der Zeit des Knochenwachstums belaufen sich die Empfehlungen für Kinder und Jugendliche von 10 bis 12 Jahren sogar auf 1.100 und zwischen 13 und 18 Jahren auf 1.200 Milligramm. Die Referenzwerte sind jedoch nicht in allen Ländern gleich. So werden von der EU beispielsweise nur 800 und in England sogar nur 700 Milligramm empfohlen. Die hohen Werte in Österreich und in vielen anderen Ländern wie Deutschland und den USA berücksichtigen die typischen sogenannten „westlichen“ Ernährungsgewohnheiten – also eine hohe Protein- und Kochsalzzufuhr. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ließe sich der theoretische Kalziumbedarf von Erwachsenen von 840 auf 600 Milligramm pro Tag reduzieren, wenn sich der Konsum von tierischem Eiweiß von 60 auf 20 Gramm pro Tag verringern würde [1]. Daraus würde sich eine Zufuhrempfehlung von 750 Milligramm Kalzium pro Tag ableiten – also 25 % weniger als die von vielen Fachgesellschaften empfohlenen 1000 Milligramm.

Osteoporose und Milchkonsum

Osteoporose ist eine chronische Erkrankung, in deren Verlauf die Knochenmasse über das natürliche Maß hinaus abnimmt. Das Skelett wird zunehmend instabil und porös und das Risiko für Knochenbrüche erhöht sich. Die Entstehung hängt von verschiedenen Aspekten ab: von genetischen oder hormonellen Faktoren, von körperlicher Aktivität und der Ernährung. Eine ausreichende Versorgung mit Kalzium gilt als einer der zentralen Faktoren zur Vorbeugung von Osteoporose, aber auch Vitamin D, Eiweiß und Phosphor sind wichtige Nährstoffe für die Knochen. Zudem spielen die Vitamine C und K, Kupfer, Magnesium und Zink eine Rolle im Knochenstoffwechsel. Möglicherweise macht auch die geografische Lage einen Unterschied: Sonne ist notwendig für die Eigensynthese von Vitamin D in der menschlichen Haut, das wiederum für die Kalziumabsorption benötigt wird. Auffällig ist, dass osteoporosebedingte Knochenbrüche in Ländern mit hohem Milchkonsum häufig auftreten. In einer großen Kohortenstudie aus Schweden war ein hoher Milchkonsum bei Frauen sogar mit einem erhöhtem Risiko für Knochenbrüche verbunden. Die Gründe hierfür sind jedoch noch unklar und andere Studien zeigen andere Ergebnisse. Andererseits haben osteoporosebedingte Knochenbrüche in den letzten 30 Jahren auch in vielen asiatischen Ländern stark zugenommen. Dass Osteoporose in westlichen Ländern weiter verbreitet ist und in Asien seltener vorkommt, hält die International Osteoporosis Foundation sogar für einen Mythos [2]. Es zeigt sich aber, dass Milchkonsum nicht vor Osteoporose schützt. Wichtig ist dahingegen eine ausreichende Aufnahme von Kalzium, die problemlos über Gemüse und andere vegane Lebensmittel erreicht werden kann.

Bioverfügbarkeit: Fördernde und hemmende Substanzen

Die Absorptionsrate von Kalzium ist von verschiedenen Faktoren abhängig und schwankt zwischen 15 und 60 %. Bei erhöhtem Bedarf nimmt sie zu – beispielsweise während der Schwangerschaft. Im Säuglingsalter und in der Pubertät wird Kalzium am effektivsten absorbiert, im Erwachsenenalter sinkt sie auf 15–20 % ab.

Tabelle: Bioverfügbarkeit

Manche Substanzen in pflanzlichen Lebensmitteln hemmen die Absorption von Kalzium. Der wichtigste Hemmstoff ist die Oxalsäure, die in großen Mengen in Spinat, Mangold und Rhabarber vorkommt. Außerdem können Phytate die Kalziumverfügbarkeit herabsetzen. Phytate sind vor allem in Sesam und Vollkornprodukten enthalten. Auch Gerbsäure in Kaffee und schwarzem Tee sowie Ballaststoffe können sich negativ auswirken. Relevant sind zudem Faktoren, die die Kalziumausscheidung über die Nieren fördern. Das ist in erster Linie Kochsalz: Pro 2 Gramm Natrium gehen 30–40 Milligramm Kalzium mit dem Urin verloren. Auch eine erhöhte Zufuhr von Protein, Alkohol oder Phosphat spielt eine Rolle. Andererseits gibt es Faktoren, die die Aufnahme von Kalzium fördern: Hierzu zählen Vitamin D, Aminosäuren, Zitronensäure und die Verteilung auf mehrere Einzeldosen am Tag.

Pflanzliche Quellen

Zu den pflanzlichen Quellen zählen grüne Gemüsesorten wie Brokkoli, Grünkohl und Rucola sowie Hülsenfrüchte, Samen und Nüsse. Weitere relevante Quellen für Kalzium sind Getränke. Geeignet sind Mineralwässer mit einem Kalziumgehalt von mehr als 150 Milligramm Kalzium pro Liter sowie angereicherte Soja- oder Hafermilch.

Tabelle: Kalziumgehalte pflanzlicher Lebensmittel

Versorgung bei vegan lebenden Menschen

Veganer:innen nehmen durchschnittlich weniger Kalzium als 1000 Milligramm pro Tag zu sich. Somit bleiben sie, wie auch viele Omnivore, unterhalb der Empfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung. Ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche scheint jedoch nur dann aufzutreten, wenn die Zufuhr unterhalb von 525 Milligramm pro Tag liegt. Das hat zumindest eine große Kohortenstudie mit mehr als 1.000 veganen Teilnehmer:innen aus England ergeben. Dennoch ist es wichtig, auf eine Kalziumaufnahme von zumindest 750 Milligramm pro Tag zu achten, um ein unnötiges Risiko zu vermeiden und keinen vorzeitigen Knochenschwund zu provozieren. Vorzugsweise sollten Lebensmittel mit einer guten Bioverfügbarkeit (siehe Tabelle 2) gewählt und die gleichzeitige Aufnahme von absorptionshemmenden Substanzen wie Oxalat, Phytat und Gerbstoffen sollte vermieden werden. Daneben ist unbedingt auch auf eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D und Vitamin K zu achten. Außerdem sollte eine hohe Salzzufuhr, beispielsweise in Form von Fertigprodukten, vermieden werden.

Statusüberprüfung: ein Bluttest reicht nicht aus

Aufgrund seiner wichtigen Rolle bei der Signalübertragung und der Muskelkontraktion wird der Kalziumspiegel im Serum durch hormonelle Kontrolle in sehr engen Grenzen konstant gehalten. Durch den Kalziumgehalt in der Nahrung wird der Blutspiegel nicht beeinflusst. Stattdessen wird bei einem Absinken des Kalziumspiegels im Blut unter anderem Kalzium aus den Knochen gelöst. Das bedeutet, dass ein Bluttest keinerlei Aussage darüber zulässt, ob ein Mensch ausreichend Kalzium zuführt. Ob übermäßig Knochensubstanz abgebaut wird und ein erhöhtes Risiko für Osteoporose besteht, kann beispielsweise mit Hilfe einer Knochendichtemessung getestet werden.

Tipps

  • Kalziumreiche Gemüsesorten wie Grünkohl, Brokkoli und Rucola sollten täglich auf dem Speiseplan stehen.
  • Auch anderes Gemüse, möglichst bunt und abwechslungsreich, sollte reichlich verzehrt werden.
  • Täglich auf weitere kalziumreiche Lebensmittel achten: Tofu, angereicherte Pflanzenmilch, kalziumreiche Mineralwässer (> 150 mg/l), Mandeln und Mandelmus, Sesam und Tahin, Mohn, getrocknete Feigen, Amarant usw.
  • Täglich während der Sommermonate 15–30 Minuten in der Sonne aufhalten, während der Wintermonate bei Bedarf Vitamin D supplementieren.
  • Eine angemessene Menge Eiweiß von ca. 0,9 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht essen.
  • Salzkonsum reduzieren.
  • Kaffeekonsum einschränken.
  • Rauchen und exzessiven Alkoholgenuss vermeiden.
  • Sport treiben. 

Steckbrief Kalzium

Wichtig für: Knochen, Zähne, Reizübertragung, Muskelkontraktion, Zellmembranen, Blutgerinnung 

Tagesbedarf: 1000 mg laut Österreichischer Gesellschaft für Ernährung 

Mangelerscheinungen: gestörte Knochen- und Zahnbildung, Osteoporose

Überdosierung: ab 2500 mg möglich (Durchfall, Harnsteine) 

Quellen: verschiedene grüne Gemüse (insbesondere der Kohlfamilie), Tofu, angereicherte Pflanzenmilch, Mineralwasser, Mandeln, Mohn, Sesam, Hülsenfrüchte

Verfügbarkeit:

  • Steigerung: Vitamin D, Verteilung auf mehrere Einzeldosen am Tag
  • Hemmung: Salz, Protein, Phosphorsäure, Oxalsäure, Phytinsäure, Kaffee und Tee, regelmäßiger Alkoholkonsum

Webinar zum Nachschauen

Wir haben ein kostenloses Webinar zum Thema „Kalzium: Knochenstark mit Pflanzenkost“ entwickelt. Es kann hier nachgesehen werden.

Literatur

[1] Joint FAO/WHO Expert Consultation on Human Vitamin and Mineral Requirements (2004): Vitamin and mineral requirements in human nutrition: report of a joint FAO/WHO expert consultation. WHO, Geneva, 2. Auflage, S. 79.

[2] International Osteoporosis Foundation (2009): The Asian Audit – Epidemiology, costs and burden of osteoporosis in Asia 2009.

[3] Englert, H.; Siebert, S. (2016): Vegane Ernährung. UTB GmbH, 1. Auflage.

[4] Appleby, P. et al. (2007): Comparative fracture risk in vegetarians and nonvegetarians in EPIC-Oxford. European Journal of Clinical Nutrition, 61, 1400–1406.

[5] Ho-Pham, L. T. et al. (2009): Effect of vegetarian diets on bone mineral density: a Bayesian meta-analysis. American Journal of Clinical Nutrition, 90(4), 943–950.

[6] Schumann, L.; Martin, H. H.; Keller, M. (2014): Calcium, Milch und Knochengesundheit – Behauptungen und Fakten. Ernährung im Fokus 14 (11–12), 326–31.

[7] Bischoff-Ferrari, H. A. et al. (2007): Calcium intake and hip fracture risk in men and women: a meta-analysis of prospective cohort studies and randomized controlled trials. American Journal of Clinical Nutrition, 86 (6), 1780–1790.

[8] Keller, M.; Leitzmann, C. (2013): Vegetarische Ernährung. Eugen Ulmer Verlag, 3. aktualisierte Auflage.

[9] United States Department of Agriculture: National Nutrient Database for Standard Reference, http://ndb.nal.usda.gov/ndb/, 10.03.2017

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