Fleischatlas Österreich

Fleischatlas Österreich

12.02.2015

Der „Fleischatlas – Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel“ wurde 2013 und 2014 von der Heinrich-Böll-Stiftung, dem BUND und der deutschen Ausgabe von Le Monde Diplomatique herausgegeben. In den 52-seitigen Heften werden mit interessanten Texten und eindrucksvollen Grafiken die politischen, sozialen, ökologischen und ökonomischen Probleme, Folgen und Perspektiven der Massentierhaltung und des Fleischkonsums beleuchtet. Inzwischen wurde der Fleischatlas in viele Sprachen übersetzt.

Fleischatlas Österreich

Von der Umweltschutzorganisation Global 2000 wurde als Ergänzung der „Fleischatlas Österreich“ veröffentlicht. Hierfür wurden einige Schwerpunkte herausgegriffen und die Situation in Österreich näher betrachtet. Der etwas unglückliche Untertitel „Zurück zum Sonntagsbraten“ sollte auch Veganer:innen nicht vom Lesen des 18-seitigen pdfs abhalten, da er dennoch interessante Fakten rund um den Fleischkonsum und insbesondere seine ökologischen Auswirkungen liefert.

Rinder

Fakten zum Fleischkonsum in Österreich

927.500 Tonnen Fleisch wurden im Jahr 2011 in Österreich produziert. Das entspricht 5.601.000 geschlachteten Schweinen, 615.000 Rindern, 73.000 Kälbern, 288.000 Schafen und Lämmern, 53.900 Ziegen und 1000 Pferden. Zudem wurden 2012 73,4 Millionen Hühner geschlachtet. Der Pro-Kopf-Verbrauch beträgt damit 98,4 Kilogramm. Nach Abzug von Knochen und unverzehrbaren Teilen verbleiben noch immer rund 65 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Damit essen die meisten Österreicher:innen pro Woche durchschnittlich 1,25 Kilogramm Fleisch, und zwar alleine von in Österreich geschlachteten Tieren. Beispiel Inlandsverbrauch Schweinefleisch: Von den 55,6 Kilogramm pro Kopf stammen nach Schätzung von Statistik Austria nur 50 % aus Österreich. Der Inlandsanteil des Gesamtfleischverbrauchs wird für 2011 auf insgesamt 46 % geschätzt. Genaue Erhebungen darüber, wie viel Fleisch über verarbeitete Produkte wie z.B. Tortellini mit Fleischfüllung oder Fertigsugo verzehrt wird, gibt es nicht. Es ist laut Global 2000 also davon auszugehen, dass der tatsächliche Verzehr von Fleisch in Österreich über 65 kg pro Kopf und Jahr liegt.

Problematik der aktuellen Landwirtschaftspolitik

Die Intensivierung der Landwirtschaft und der Ausbau von Ställen werden mit bis zu 50 % durch EU-Agrarsubventionen gefördert. Das vermeintlich billige Fleisch kostet die Steuerzahler:innen im Endeffekt aber wesentlich mehr, als es auf den ersten Blick scheint. Durch die Intensivtierhaltung entstehen erhebliche Umweltschäden: Böden werden überdüngt, wodurch der Nitratgehalt im Grundwasser und der Phosphatgehalt steigen, und sehr ausgelaugt durch den intensiven Anbau von Futterpflanzen. Erosionen enstehen und Land wird leichter überschwemmt, weil es die Wassermassen der intensiven Regenfälle nicht mehr aufnehmen kann. Dadurch werden aufwändige Sanierungsmaßnahmen von Wasser und Böden notwendig. Diese werden ebenfalls mit Steuergeldern finanziert. Außerdem fördert die EU Investitionen in Ställe mit bis zu 50 %. Dies ist ein starker Anreiz, noch mehr Schweine, Geflügel und Rinder zu halten. 240 Millionen Euro stehen zudem im EU-Haushalt jährlich für die Fleisch verarbeitende Industrie zur Verfügung.

Wie es soweit kommen konnte

Aufgrund der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) hat man sich in den 1960er Jahren mit den USA geeinigt, die Einfuhr von Soja als Futtermittel für die Tierproduktion zu erleichtern. Somit standen plötzlich große Mengen billiger Futtermittel zur Verfügung. Die Produktion von Fleisch und Milchprodukten wurde damit billiger. Gleichzeitig wurde in der EU der Ausbau von Ställen unterstützt. Durch das neue Futter konnten die Tiere mehr Milch geben und setzten in kürzerer Zeit mehr Schlachtgewicht an. Die Weidewirtschaft wurde in den Hintergrund gedrängt. In den 90er Jahren verlagerte sich der Import von den USA nach Lateinamerika. Billiges, gentechnisch verändertes Futter führte zu einer weiteren Intensivierung der Fleischproduktion.

Futtermittel aus Übersee

In der österreichischen Mast werden jährlich rund 570.000 Tonnen Sojaschrot und 100.000 Tonnen Sojabohnen eingesetzt. Ein großer Teil wird aus Argentinien und Brasilien importiert, davon sind rund 90 % gentechnisch verändert. Hierbei handelt es sich häufig um die Roundup-Ready-Sojababohne des Agro-Chemie- und Biotechnologie-Konzerns Monsanto, weltweit führender Konzern für den Vertrieb von gentechnisch verändertem Saatgut und den dazu passenden Pestiziden. Den meisten Landwirt:innen in Lateinamerika bleibt nichts anderes übrig, als das Saatgut und die dazu passenden Dünge- und Unkrautvernichtungsmittel von Monsanto zu beziehen. Dies macht sie jedoch abhängig, da gentechnisch verändertes Saatgut nicht für die Aussaat im nächsten Jahr wieder verwendet werden kann. Daher müssen sie das teure Hybrid-Saatgut jährlich neu kaufen. Außerdem vermischt sich das gentechnisch veränderte Saatgut immer öfter mit den traditionellen Sorten der heimischen Kulturen.

Sojabohnen von Monsanto

Die gentechnisch veränderte Sojabohne von Monsanto ist gegenüber einem speziellen Herbizid (Mittel gegen unerwünschte Beikräuter) tolerant. Das bedeutet, dass alle Pflanzen außer dem Soja bei der Behandlung durch das Totalherbizid Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat absterben. Durch vermehrte Resistenzbildung auch der „Unkräuter“ gegenüber diesem Herbizid musste immer mehr Roundup gekauft und angewendet werden. Dies führt zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Landarbeiter:innen und der benachbarten Bevölkerung: Atemwegserkrankungen, Hautkrankheiten, Fehlgeburten, Frühgeburten, Säuglinge mit schweren Missbildungen, Krebs. Außerdem steht der Sojaanbau mit Landenteignung in Verbindung: Viele Bauern und Bäuerinnen werden gezwungen, ihr Land an große Firmen zu verkaufen, oder es wird ihnen einfach weggenommen. Damit verlieren sie ihre Lebensgrundlage.

Hoher Wasserverbrauch und starke Wasserverschmutzung

Der Wasserverbrauch für die Fleischproduktion ist sehr hoch: Für ein Kilogramm Rindfleisch werden ca. 15.000 Liter Wasser benötigt. Gleichzeitig wird durch die Ausbringung von Gülle aus der Schweinemast Wasser stark verschmutzt. Dabei werden die Grenzwerte (170 Kilogramm/Hektar in Österreich) teilweise überschritten. Insbesondere in der Nähe von Schweinemastbetrieben kommt es immer wieder zu erhöhten Nitratwerten (Grenwert 50 Milligramm/Liter) im Grundwasser. Hohe Phosphatgehalte führen zudem zu Algenbildung. Bei Nitratbelastung darf das Wasser nicht mehr für den Anbau von Gemüse verwendet werden. Außerdem befinden sich Antibiotikarückstände in der Gülle, die ebenfalls auf das Feld ausgebracht werden und die Bodenbakterien und damit die Bodenqualität schädigen. Auch sie gelangen ins Grundwasser.

Landnutzung und Flächenverbrauch durch Tiermast

Bis zu 20 % des Futters einer Kuh stammen aus Soja, bei Schweinen sind es je nach Alter 6 bis 25 %. Der Weltagarrat der Unesco schätzt, dass heute weltweit etwa 70 % der gesamten landwirtschaftliche Fläche für die Nutztierhaltung verwendet werden. Die EU importiert etwa 20 Millionen Hektar Land aus Lateinamerika, da die Länder des Südens ihre Flächen zur Produktion von Futtermitteln zur Verfügung stellen mussten. Die Folge ist Landuse change, also die Änderung der Landnutzung. Regenwaldflächen werden gerodet, gleichzeitig gehen den Menschen vor Ort die Flächen für den Anbau von Lebensmitteln für ihren täglichen Bedarf verloren.

Antiobiotikaresistenzen durch Massentierhaltung

In Österreich konzentriert sich die Schweineproduktion im Wesentlichen auf die drei Bundesländer Niederösterreich, Oberösterreich und die Steiermark. In einigen Gemeinden leben bis zu 30.000 Schweine, manchmal sogar mehr Schweine als Einwohner:innen. 10 Betriebe halten 2000 und mehr Schweine, 201 Betriebe zwischen 1000 und 2000 und 2.578 Betriebe 400 bis 1000 Schweine. Durch die zunehmende Intensivierung und immer größere Ställe kommt es zu einem immer stärkeren Antibiotikaeinsatz, der wiederum zu Antibiotikaresistenzen führt. Das heißt, dass sich Keime durch die häufige Gabe an die neuen Gegebenheiten anpassen und nicht mehr wirksam durch Antibiotika abgetötet werden können. Im Februar 2012 hat Global 2000 Hühnerfleisch testen lassen. In sechs von sieben Stichproben wurden sowohl ESBL-Keime als auch MRSA-Keime gefunden. In Europa sterben jährlich um die 25.000 Menschen aufgrund von Antibiotika-Resistenzen.

Fleisch als Klimakiller

Die Welternährungsorganisation FAO schätzt den Anteil der Fleischproduktion an den Klimagasen weltweit auf 18 %. Das World Watch Insititute kommt sogar auf 51 %. Laut dem Joint Research Institute liegt der Anteil der Fleischproduktion an den Gesamt-CO2-Emissionen in der EU mit 12,8 % knapp hinter den Emissionen aus Verkehr und Transport mit 20 %. Die Betrachtung von CO2 reicht jedoch nicht aus: Andere klimaaktive Gase werden in CO2-Äquivalenten angegeben, die das Vielfache der Wirkung gemessen an CO2 angeben. Lachgas hat beispielsweise einen 298-mal stärkeren Effekt auf das Klima hat als CO2. Dieses wird durch die Ausbringung der Gülle aus der Schweineproduktion auf die Felder freigesetzt. Zudem ensteht Methan bei der Produktion von Rindfleisch, das etwa 25-mal so wirksam ist wie CO2.