Fische und Fischerei

Fische und Fischerei

05.05.2014

Fischkonsum in Österreich

Fisch spielt, anders als in meeresnahen Gegenden, eine untergeordnete Rolle auf den österreichischen Speiseplänen. Der Nahrungsverbrauch an Fisch beträgt jährlich bis zu 65.000 Tonnen, was einem Pro-Kopf-Verbrauch von 7,5 kg/Jahr entspricht. Im Vergleich zu Fleisch ist das weniger als ein Zehntel. Nur ca. 5 % werden in Österreich „produziert“, etwa 95 % werden importiert.

Fischverzehr weltweit

Weltweit gesehen steigt der Verzehr von Fisch derzeit (noch) rasant an. Betrug die Fangmenge im Jahr 1850 noch 1,5 und im Jahr 1900 4,0 Millionen Tonnen, wurden 50 Jahre später bereits 30 und im Jahr 2010 110 Millionen Tonnen Fische gefangen.

Gesamtproduktion 146,3 Millionen Tonnen

Im Jahr 2009 war mit 146,3 Millionen Tonnen der vorläufige Höchststand erreicht. Zwei Drittel der Fangmenge stammen aus den Weltmeeren, der Rest kommt aus Seen oder Flüssen. Laut FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftorganisation der Vereinten Nationen) sind weltweit inzwischen 80 Prozent der Fischbestände überfischt. Seit dem Jahr 2000 ist die Menge an gefangenen Meeresfischen leicht rückläufig, was darauf hindeutet, dass der „Peak Fish“ schon überschritten ist. Durch die Überfischung der Bestände können sich die Ökosysteme nicht mehr erholen. Komplette Arten und Unterwasserlandschaften sind unwiederbringlich zerstört. Die Fischindustrie lässt sich dennoch nicht beeindrucken. Es wird in immer tieferen Gewässern gefischt, die Flotten werden hochgerüstet und Aquakulturen werden forciert, was wiederum weitere Probleme mit sich bringt. Eine andere Lösung muss gefunden werden.

Fischfarmen als Lösung?

20 % des „produzierten“ Meeresfisches und 75 % des „produzierten“ Süßwasserfisches stammen inzwischen aus Aquakulturen oder Fischfarmen.1 Die Tiere werden in Tierfabriken herangezüchtet. Auf engstem Raum werden die Lebewesen in Bottichen oder von Netzen umzäunt konzentriert. Das erleichtert die Fütterung, Abfischung, Planbarkeit und das großflächige Einsetzen von Antibiotika. Die Nachteile dieser Methode werden allerdings oft verschwiegen. Wertvolle Mangrovenwälder sterben durch die Überdüngung durch Exkremente und die freigesetzen Antibiotika ab, für die Produktion von 1 Kalorie Fisch werden irrsinnigerweise 5 Kalorien Fisch verfüttert. Da die beliebten Speisesorten leergefischt sind, wird optisch unattraktiver Tiefseefisch gefangen und als Futter für die Zucht eingesetzt. Fischfarmen sind Krankheitsherde, welche auch negative Auswirkungen auf die freien Fischpopulationen haben.

Tierfabriken bedingen Schlachtung. 5Viele Fischsorten müssen bis zu 2 Wochen vor der Schlachtung hungern, damit der Magen- und Darminhalt geleert ist. So funktioniert die Tötung reibungsloser. Auch von der Feststellung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit aus dem Jahre 2004, derzufolge „durch viele existierende kommerzielle Tötungsmethoden Fische substanziellem Leid über einen längeren Zeitraum ausgesetzt werden“, zeigen sich die Fischfarmer:innen unbeeindruckt.

Krisenherd Fischerei

Was haben die medial viel zitierten Piraten von Somalia mit Fischerei zu tun? Werden durch die Hochseefischerei lokale Wirtschaftsstrukturen zerstört? Diese und andere Fragen werden noch weniger beachtet – sind aber global betrachtet durchaus relevant. Ein kurioses aber aktuelles Beispiel: In den Zeitungen ist immer öfter von Piraten vor der somalischen Küste die Rede, die Tanker oder andere Schiffe stürmen und die Besatzung als Geisel nehmen. Natürlich wäre es zu einfach, dem Fischfang die Schuld in die Schuhe zu schieben; das Österreichische Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung kommt allerdings zum Schluss 2, dass die internationale Hochseefischerei für das Elend der Bevölkerung mitverantwortlich ist, weil den lokalen Fischern durch den illegalen Fischfang die Existenzgrundlage genommen wird – und aufgrund der fehlenden Schutzmaßnahmen seitens der Regierung. Die Pirat:innen sind in der Bevölkerung sehr beliebt, weil sie als Rebell:innen gegen die internationalen Konzerne gesehen werden. Ganz allgemein ist zu sagen, dass Fische heutzutage für Entwicklungsländer „cash crops“ 3 sind, also Exportgüter, die auf Kosten der Eigenversorgung produziert werden, und somit wiederum lokale Strukturen schwächen.

Fische empfinden genauso Schmerzen wie Säugetiere

Empfinden Fische Schmerz?

Fische haben keine Beine, sie können nicht schreien oder Geräusche von sich geben, wir sehen sie meist nur auf dem Teller oder im Supermarkt. Sie sind uns rein äußerlich so unähnlich, dass es schwer fällt, ihnen gewisse kognitive Fähigkeiten zuzugestehen. Seit den 1990-er Jahren ist bekannt, dass Schmerz für Fische eine genauso intensive Erfahrung ist wie für Vögel oder Säugetiere. Sie sind fähig, Angst und Schmerz zu empfinden. Eine Forschergruppe rund um Keven Laland 5aus Großbritannien, die sich intensiv mit kognitiven Fähigkeiten und dem Sozialverhalten von Fischen beschäftigt hat, kommt zu den Ergebnissen, dass Fische nicht wie vermutet von Instinkten gesteuert werden, sondern im Schwarm Sozialverhalten zeigen, lernfähig sind, soziale Intelligenz zeigen und sogar „dauerhafte kulturelle Traditionen“ entwickeln. Das Lernverhalten ist dem anderer Wirbeltiere sehr ähnlich.

Ist Angeln Quälerei?

Das Angeln oder sogenannte Sportfischen, bei dem die Entspannung und der Ehrgeiz, einen möglichst großen Fisch zu fangen, im Vordergrund stehen, wird oft von den Angler:innen als tier- und umweltfreundlich dargestellt. Die Fische würden ja oft wieder zurückgeworfen und von der Überfischung der Meere könne keine Rede sein. Ein schottisches Forscher:innenteam rund um die Expertin Lynne Sneddon hat die Frage des Schmerzempfindens beim Angeln genauer untersucht1. Die Studienserie hat ergeben, dass Fische alleine am Kopf 58 Schmerzrezeptoren haben und dass von ihnen insbesondere Verletzungen, wie sie durch Angelhaken entstehen, als besonders schmerzhaft wahrgenommen werden. Resümee: Angelhakenverletzungen im Unterkiefer müssen ähnlich schmerzhaft sein wie Augenverletzungen beim Menschen. Eine etwas ältere Studie aus Holland kommt zum Ergebnis, dass Fische am Angelhaken Reaktionen von Angst zeigen. Das regungslose Absinkenlassen, nachdem sie wieder ins Wasser geworfen wurden, ähnelt einem traumatischen Ereignis. Auch die Beschädigung der Haut (durch Angreifen oder Kratzer) sowie das Eingesperrtsein auf engem Raum verursacht die Ausschüttung von Stresshormonen.

Eine unersetzliche Quelle für Protein, Jod und Omega-3-Fettsäuren?

Fisch gilt weitgehend als gesundes Lebensmittel. Daher wird häufig eine Erhöhung des Fischkonsums empfohlen. Hauptgründe sind das in Fisch enthaltene Eiweiß, Jod und Omega-3-Fettsäuren. Die Proteinzufuhr stellt in Zeiten der Eiweißüberversorgung jedoch kein Problem mehr dar, sie kann durch pflanzliche Lebensmittel wie Hülsenfrüchte ganz leicht gedeckt und sollte insgesamt sogar reduziert werden. Berechtigter erscheint hingegen die Empfehlung, Fisch zu verzehren, aufgrund des enthaltenen Jods und der Omega-3-Fettsäuren. Fische stellen aber weder Jod noch Omega-3-Fettsäuren selbst her, sondern nehmen sie großteils über Algen und andere Wasserorganismen auf. Daher kann der menschliche Bedarf auch problemlos direkt über Algen und jodiertes Speisesalz (Jod) sowie Algenölkapseln und Leinöl, geschrotete Leinsamen, Rapsöl oder Walnüsse (Omega-3-Fettsäuren) gedeckt werden. Andererseits beinhaltet Fisch Schwermetalle und Giftstoffe, was wiederum auf die zunehmende Verschmutzung der Meere zurückzuführen ist. Insbesondere Schwangeren wird daher zunehmend von Fischverzehr abgeraten. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie erhöht sich sogar das Risiko für Schlaganfall bei regelmäßigem Konsum von gebratenem Fisch. Außerdem sterben alleine in Österreich ca. 80 Menschen pro Jahr am Verschlucken von Fischgräten .

Was tun?

Sie sind uns nicht ähnlich, können nicht sprechen und leben in einer anderen Welt – aber ist unser Umgang mit ihnen noch verantwortbar? Tragen wir eine Verantwortung gegenüber den Weltmeeren? Zählt die Fähigkeit zu leiden und zu denken nicht mehr als das Aussehen? Immer mehr Menschen beantworten diese Fragen für sich anders, als es ihre Großeltern vor 50 Jahren getan hätten. Inzwischen gibt es reichlich Alternativen. Es bedeutet keinen Verzicht, den Fisch vom Speisezettel zu streichen. Eine rein pflanzliche Ernährung bietet ökologische Vorteile, erleichtert das Gewissen und ist ernährungstechnisch für alle Lebenslagen perfekt geeignet – das sagt auch die weltweit größte Ernährungsorganisation ADA.

Buchtipp:

Salim M. Ali: Fisch: Profit, Umwelt und Ernährung. Books on Demand; 2. Auflage. ASIN: B00EA918NK

Quellen

  1. Statistik Austria, Versorgungsbilanz Fisch
  2. Ali, S. 42, FAO
  3. Food and Agriculture Organisation of the United Nations (FAO). [The state of world fisheries and aquaculture 2008.](http://ftp.fao.org/docrep/fao/011/i0250e/i0250e.pdf“ Rome, Italy: FAO; 2009 (accessed 1 October 2009)
  4. Ali, S. 127
  5. Ali, S. 44
  6. Ali, S. 56
  7. Greenpeace, Die Geschichte der Shrimpsindustrie
  8. Fishing and Fish Farming The Vegan Society
  9. Compassion In World Farming (CIWF) & World Society for the Protection of Animals (WPSA). Closed Waters: The welfare of farmed Atlantic salmon, rainbow trout, Atlantic cod and Atlantic halibut. Godalming, Surrey: CIWF & WSPA; 2007, S.9
  10. European Food Safety Authority (EFSA). Opinion of the scientific panel on animal health and welfare on a request from the commission related to welfare aspects of the main systems of stunning and killing the main commercial species of animals. EFSA; 2004 (accessed 14 October 2008)
  11. Piraten am Horn von Afrika – eine neue Gefahr für die globale Sicherheit? Von Birgit Mahnkopf, in: Söldner, Schurken, Seepiraten, ÖSFK, Band 58, LIT-Verlag
  12. Ali, S. 75
  13. Kestin, S C 1994 Pain and stress in fish. Royal Society for the Prevention of Cruelty in Animals, Causeway, Horsham, West Sussex, U.K.
  14. Brown, Culum/Laland,Keven N. “Social Learning in Fishes: A Review” in “Fish and Fisheries”, No. 4/2003 and Culum Brown, Kevin Laland and Jens Krause, Fish Cognition and Behavior Blackwell Publishing, Cambridge, 2006, 352 pp, ISBN 9781405134293
  15. Sneddon, L. U. et al.: Do Fishes Have Nociceptors? Evidence for the Evolution of a Vertebrate Sensory System. In: Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 270(1520), S. 1115-1121, 2003.
  16. DO PAIN AND FEAR MAKE A HOOKED CARP IN PLAY SUFFER? by Prof.dr.F.J. Verheijen & Dr.R.J.A. Buwalda, april 1988
  17. Ali, S. 14
  18. http://www.neurology.org/content/early/2010/12/22/WNL.0b013e3182061afb.abstract
  19. Ali, S. 12
  20. ADA