Das Leben der Schweine

Das Leben der Schweine

22.02.2021

Unsere Sprache ist voll von herabwürdigenden Ausdrücken über Schweine. „Blödes Schwein“, „Drecksau“, „wie im Saustall“ sind nur ein paar Beispiele dafür. Dabei wird ganz außer Acht gelassen, dass Schweine nicht nur sehr reinliche, sondern überaus intelligente Tiere mit einem komplexen Sozialverhalten sind.

Das natürliche Verhalten der Schweine

Schweine haben eine natürliche Lebenserwartung von 15 bis 20 Jahren. In der Schweinemast werden sie aber kaum älter als sieben Monate. Das sind gerade einmal 3–4 % ihres Lebens. (Bei einer durchschnittlichen menschlichen Lebenserwartung von 80 Jahren bedeutet dies, dass ein Mensch mit höchstens drei Jahren getötet werden würde.) Eine natürliche Gruppe von Schweinen besteht aus etwa 20 bis 30 erwachsenen Tieren, hauptsächlich Säue. Dazu kommen noch Ferkel und Jungtiere. Eber bilden im Alter von 1 bis 1,5 Jahren sogenannte „Junggesellengruppen“, ehe sie sich schließlich trennen und Einzelgänger werden.

Die Schweineherde weist eine strenge Rangordnung auf. Entscheidende Faktoren sind Alter, Größe, Gewicht, Erfahrung, Temperament etc. Geführt wird die Gruppe immer von einer Sau. Im Allgemeinen ist die Herde durch eine recht stabile Hierarchie gekennzeichnet, solange keine neuen Tiere hinzukommen oder sich anderweitig Änderungen ergeben.

Wenn sie genügend Platz zu Verfügung haben, trennen Schweine Schlaf-, Fress- und Kotplatz strikt voneinander. In der Natur liegt der Kotplatz sogar fünf bis 15 Meter vom Schlafplatz entfernt. Beim Schlafen suchen die Tiere Körperkontakt, außer wenn es sehr warm oder heiß ist, und berühren sich mit den Rüsseln oder Körpern. Teils zeigen sich dabei tiefe Freundschaften zwischen den Schweinen. Zum Schlafen werden die sogenannten Nester neu gebaut oder bestehende ausgebessert.

Schweine sind sehr neugierig und haben einen starken Bewegungsdrang, Wildschweine legen etwa vier bis sechs Kilometer am Tag zurück. Die meiste Zeit sind die Tiere dabei auf Nahrungssuche, wobei sie aber nur wenig davon mit der tatsächlichen Nahrungsaufnahme verbringen. Weiters sollte die Intelligenz von Schweinen nicht unterschätzt werden. Sie verfügen über eine bessere Lernfähigkeit als Hunde, erkennen sich selbst im Spiegel und haben eine Art Ich-Bewusstsein.

Die strikte Struktur der Rangordnung zeigt sich schon bei den Ferkeln. Nach der Geburt erkämpft sich in den ersten Tagen jedes eine Zitze, von der nur dieses und kein anderes Jungtier saugt. In der Tiermast, wo die Säue dahingehend gezüchtet wurden, mehr Ferkel zu gebären, passiert es oft, dass mehr Jungtiere als Zitzen vorhanden sind, wodurch diese entweder mit Flaschen gesäugt werden müssen oder verhungern. In der Natur zieht sich normalerweise die Sau vor der Geburt der Ferkel aus der Gruppe zurück, baut ein Nest und bekommt dort den Nachwuchs. Erst nach zehn Tagen kommt sie gemeinsam mit den Jungtieren in die Gruppe zurück.

Schweine in der Tierhaltung

Nicht nur in der Massentierhaltung, sondern auch bei anderen Mastformen wird es verhindert, dass die Schweine diesem natürlichen Verhalten nachgehen können. Sie werden eng eingepfercht und auf Spaltböden gehalten. Das Trennen der verschiedenen Plätze zum Fressen, Schlafen und Koten ist nicht möglich. Sie können keine Nester zum Schlafen bauen und können ihrem natürlichen Herdenverhalten nicht nachgehen. Entweder haben sie keinen Körperkontakt, weil sie in engen Gitterkästen gehalten werden, oder sie stehen so eng beieinander, dass sie dauernd gegeneinander stoßen. Dadurch werden die Schweine irritiert und aggressiv. Kein Wunder, wenn sie dann anfangen, sich gegenseitig zu beißen. (Wie würden sich wohl 1000 Menschen verhalten, die Tag und Nacht auf engstem Raum miteinander eingeschlossen werden und sich kaum bewegen können?)

Nach einer Zählung der Statistik Austria gab es 2015 zum Zeitpunkt der Bestandsaufnahme in Österreich 1,17 Millionen Mastschweine und 250.000 Zuchtschweine. Über den Zeitraum dieses Jahres hinweg wurden jedoch über 5,4 Millionen Schweinen getötet. In Deutschland sind es sogar fast 60 Millionen „Stück“ – wie die gängige Bezeichnung lautet, was traurigerweise die Verdinglichung von Tieren widerspiegelt! Die überwiegende Mehrheit der Schweinehaltungsbetriebe befinden sich in Oberösterreich, der Steiermark sowie Niederösterreich.

Der Nachwuchs wird nicht auf natürliche Weise gezeugt, sondern über künstliche Befruchtung. Damit die Zuchtsäue brünstig werden, lassen die Betriebe vor ihnen Eber hin und her laufen – durch Gitter voneinander getrennt. Nach der Geburt müssen die Säue ihre Jungen dann durch ein Gitter säugen, können sich selbst kaum bewegen, geschweige denn sich um ihre Ferkel kümmern.

Innerhalb von sieben Tagen dürfen männliche Ferkel vom Gesetz her ohne Betäubung kastriert werden! Genauso ist das Kürzen („Kupieren“) der Schwänze und Zähne erlaubt. Während und nach den Eingriffen gibt es keine Schmerzmittel oder ähnliches für die armen Tiere.

Das Lebensende

Traurig, aber wahr: Nach nur sechs bis sieben Monaten werden die Schweine, die 18 Wochen lang gemästet wurden, zum Schlachthaus gebracht. Dort werden sie mit Elektroschocks oder durch Vergasung betäubt. Laut Angaben des Vebu erleiden 12,5 % der Schweine eine Fehlbetäubung. Sie erleben also bewusst mit, wie ihnen die Halsschlagadern durchgeschnitten werden und wie sie verbluten. Noch schlimmer: 1 % der Tiere sind weiterhin bei Bewusstsein, wodurch sie miterleben, wie sie in 60 °C heißem Wasser verbrüht werden.

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