Das blutige Geschäft mit der Wolle

Das blutige Geschäft mit der Wolle

17.12.2018

Kuschelige Pullover, Schals und Hauben – in der kalten Jahreszeit stehen wärmende Kleidungsstücke hoch im Kurs. Viele Konsument:innen greifen auf Wollprodukte zurück, nur wenigen sind die grausamen Praktiken der Wollindustrie bekannt. Doch immer mehr Kritik wird gegen Mohair und Mulesing erhoben, das Image der Wolle als ethisch einwandfreies Naturprodukt beginnt – zu Recht – zu bröckeln.

„Schafe müssen geschoren werden“

Zahlreiche Mythen rund um Schafe und ihre Wolle sind hartnäckig in vielen Köpfen verankert. So müsse man Schafe von ihrer Wolle befreien, ansonsten wäre ihnen schlichtweg zu heiß. Doch ähnlich wie bei Katzen und Hunden passt sich das Fell der Schafe an die Jahreszeiten an und schützt durch seine isolierende Wirkung vor Hitze und Kälte. Dass die Wolle zahlreicher Schafrassen heute überaus stark wächst und zum Problem für die Tiere werden kann, liegt an der Zucht durch Menschenhand, die sich an möglichst hoher Ausbeute orientiert.

Eine haarsträubende Angelegenheit

Schafe werden jährlich geschoren, vereinzelt zwei- bis dreimal. Die Schur kann keinesfalls mit einem gemütlichen Friseurbesuch verglichen werden: Schafscherer werden im Akkord, nicht nach Stunden bezahlt. So steht die Quantität klar über der Qualität oder in diesem Fall über dem Tierwohl. Pro Schaf stehen meist knapp zwei Minuten zur Verfügung. Äußerst grobe Behandlung und blutige Verletzungen sind häufige Konsequenzen. Ein besonders tragisches Schicksal widerfährt den Merinoschafen, von denen etwa die Hälfte der Wolle weltweit stammt. Sie haben zuchtbedingt eine sehr faltige Haut und in den zahlreichen Hautfalten sammeln sich Feuchtigkeit und Urin, was Insekten anzieht und diese zur Eiablage verlockt. Die Schafe werden infolgedessen von den schlüpfenden Insekten angeknabbert und gefressen. Als Alternative wählen Landwirt:innen die Methode des Mulesing: Dabei wird eine handtellergroße Fläche rund um den Anus der Tiere ausgeschnitten - ohne Betäubung oder Schmerzmittel - um das zuchtbedingte Problem des Insektenbefalls zu vermeiden.

Die Illusion vom Nebenprodukt Wolle

Fleisch, Milch, Wolle – Schafe werden auf verschiedenste Weise vom Menschen genutzt. Immer wieder kursiert die Ansicht, dass Wolle ein Nebenprodukt von Schaffleisch und -milch sei. So könne Wolle ohne ethische Bedenken genutzt werden, eine Nicht-Nutzung käme einer Verschwendung gleich. Hier wird jedoch ein essentieller Punkt übersehen: Wolle ist schlichtweg kein Nebenprodukt, sondern Ressource einer milliardenschweren Industrie. Die kommerziell gehandelte Wolle stammt beinahe ausschließlich von sogenannten Einnutzungsrassen, die auf starkes Wollwachstum gezüchtet wurden. Bei der bedeutendsten Schafrasse – Merino – spielt das Fleisch eine wirtschaftlich vernachlässigbare Rolle.

Big Business: Welthandel mit Schafen und Wolle

Weltweit werden etwa 1,1 Milliarden Schafe von Menschen gehalten. In Österreich sind es etwa 400.000 an der Zahl. Die Schafwirtschaft unseres Landes ist nicht wettbewerbsfähig mit den Preisen und der Qualität am Weltmarkt. Bedenkt man, dass hierzulande weit unter einem Prozent der Wolle hergestellt wird, überrascht es nicht, dass die Wolle in unserer Kleidung beinahe ausschließlich importiert wird. Pro Jahr werden etwa 2 Millionen Tonnen Wolle gehandelt. Eine führende Position nehmen dabei Australien und Neuseeland ein – sie alleine scheren über ein Viertel der Wolle weltweit. Im Gegensatz dazu ist Europa nicht auf die Haltung von Schafen zur Wollgewinnung spezialisiert, sondern am Fleisch orientiert. Der globale Produktionswert von Wolle beträgt etwa 8,8 Milliarden US-Dollar jährlich und so übersteigt das Geschäft mit Wolle den Produktionswert von Schafmilch um über 30 Prozent. Der Mythos, dass Wolle ein Nebenprodukt der Schafhaltung sei, kann so ein für alle Mal begraben werden!

Wohin mit den ausgedienten Schafen?

Gemeinsam haben alle Nutzungsformen eines: Die Schafe werden getötet, sobald sie nicht mehr produktiv genug sind. Produktionsweltmeister Australien ist auf den Wollhandel fokussiert, das Interesse an Schaffleisch ist quasi nicht existent. Deswegen wird ein Großteil der ausgedienten Schafe in berühmt-berüchtigten Lebendtierexporten nach Asien verschifft – wochenlang harren sie unter katastrophalen Bedingungen, meist in den eigenen Exkrementen stehend und ohne genügend Essen und Trinken, aus, bis sie an der Endstation ankommen sind. Am Ende jedes Schaflebens steht der Gang in den Schlachthof und somit klebt auch an Wolle jede Menge Blut!

Boykott von Tierleid-Produkten

Wie und wo die Schafe gelebt haben, deren Wolle wir verwenden, ist für Konsument:innen nicht am Kleidungsstück erkennbar. Ein Verzicht fällt jedoch ohnehin nicht schwer: Zahlreiche nachhaltige, pflanzliche Materialien sind bereits am Markt vertreten! Dass durch öffentlichen Druck durchaus ein Wandel in der Modeindustrie zu erreichen ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass immer mehr Unternehmen Mohair, die leidvoll hergestellte Wolle von Angoraziegen, aus ihrem Sortiment verbannen.